Dr. Dirk Fey, Prof. Dr. Henner Klönne
Rn. 49
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Der Begriff des Gewährleistungsvertrags ist im Gegensatz zu den drei genannten Begriffen nicht gesetzlich geregelt und daher wesentlich unbestimmter (vgl. auch Palandt (2023), Einführung vor § 765 BGB, Rn. 16ff.; IDW RH HFA 1.013 (2008), Rn. 5). Im Bilanzrecht ist unter Gewährleistungsverträgen jede nicht als Bürgschaft anzusehende obligatorische Verpflichtung zu verstehen, die das Einstehen für einen bestimmten Erfolg oder eine bestimmte Leistung oder für das Nichteintreten eines bestimmten Nachteils oder Schadens zum Gegenstand hat (vgl. IDW RH HFA 1.013 (2008), Rn. 5). Es handelt sich dabei typischerweise um
- Gewährleistungen für fremde Schulden, falls die zivilrechtlichen Kriterien einer Bürgschaft nicht erfüllt sind, z. B. bürgschaftsähnliche Verpflichtungen;
- Gewährleistungen für eigene Leistungen, d. h. im Regelfall für die Folgen einer Nicht- oder Schlechterfüllung, z. B. vertragliche Garantie eines Herstellers für die fristgerechte Erstellung und Lieferung einer Anlage;
- Gewährleistungen für die Folgen des Eintritts oder Nicht-Eintritts eines sonstigen Ereignisses, z. B. Kursgarantie.
Rn. 50
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Die branchenüblichen Gewährleistungen i. R.d. geschäftlichen Lieferungs- und Leistungsverkehrs (z. B. für bestimmte Qualitäten oder Einsatzmöglichkeiten) lösen keine Vermerkpflicht aus (vgl. HdR-E, HGB § 251, Rn. 35f.), soweit es sich um individuelle oder allg. Lieferbedingungen des UN i. R.d. Erfüllung eigener Verpflichtungen handelt, also um ein individuelles oder allg. Unternehmerrisiko (vgl. so auch WP-HB (2021), Rn. E 999). Nur wenn das Garantieversprechen eine zusätzliche, außerhalb der normalen und branchenüblichen Zusicherungen liegende Haftung übernimmt, liegt eine Vermerkpflicht vor (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 26; Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 97).
Rn. 51
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Gewährleistungen für fremde Leistungen betreffen bürgschaftsähnliche Rechtsverhältnisse (z. B. Garantieversprechen, Freistellungsverpflichtungen jeder Art, kumulative Schuldübernahmen, Patronatserklärungen etc.). Bei den Garantieversprechen handelt es sich um den Eintritt für die Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit.
Rn. 52
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Bei der kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt) tritt der Mitübernehmer zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein; beide werden Gesamtschuldner i. S. d. §§ 421ff. BGB, d. h., bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben beide als Schuldner verpflichtet (vgl. hierzu auch ADS (1998), § 246, Rn. 419ff.). Schuldbeitritt und Bürgschaft stimmen darin überein, dass sie dem Gläubiger als zusätzliche Sicherheit einen Anspruch gegen einen "Mithaftenden" verschaffen. Andererseits aber haftet der Bürge nur akzessorisch, der Schuldbeitritt dagegen begründet eine eigene Verbindlichkeit. Obwohl es also rechtlich um eine Schuld des UN selbst geht, kann sie "wirtschaftlich den Charakter einer akzessorischen Haftung haben." Die kumulative Schuldübernahme kann durch Vertrag zwischen Gläubiger und Übernehmer oder auch zwischen Schuldner und Übernehmer vereinbart werden. Ob im Einzelfall eine selbstschuldnerische Bürgschaft (vgl. HdR-E, HGB § 251, Rn. 44) oder eine kumulative Schuldübernahme vorliegt, richtet sich nach dem Zweck des Vertrags (vgl. § 133 BGB). Dient die Schuldübernahme primär der Absicherung des Gläubigers, so ist sie als Gewährleistung zu vermerken. Bezweckt die Schuldmitübernahme dagegen die Befreiung des Hauptschuldners, so ist sie wie eine Erfüllungsübernahme als eigene Schuld zu passivieren (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 65; Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 99; zudem WP-HB (2021), Rn. F 37).
Rn. 53
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Zu den nach § 251 vermerkpflichtigen Gewährleistungsverpflichtungen zählen regelmäßig auch die folgenden Verpflichtungsarten (vgl. HdJ, Abt. III/9 (2017), Rn. 102ff.; Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 61ff.; Beck-HdR, B 250 (2010), Rn. 104); zu Angaben in der Praxis die empirischen Untersuchungen von Castan (1990), S. 376ff.; Fey, WPg 1992, S. 1 (12ff.)):
- Verpflichtungen des Forderungsüberträgers beim unechten Factoring, für das Delkredere-Risiko einzustehen (vgl. HdR-E, Kap. 8, Rn. 9; ADS (1998), § 251, Rn. 71; zu Einzelheiten Fey, WPg 1992, S. 1 (6f.));
- Übernahme von Garantien für die Werthaltigkeit der Forderungen Dritter, z. B. bei Kommissionsgeschäften;
- bedingte Verpflichtungen zur Rückzahlung von Zuschüssen, soweit die Rückzahlung nicht von einem positiven Jahresergebnis abhängt (vgl. hierzu HdR-E, HGB § 251, Rn. 67);
- Vereinbarungen mit Kreditinstituten, die diesen erlauben, Verbindlichkeiten anderer Konzern-UN mit Guthaben des bilanzierenden UN zu verrechnen (Konzernverrechnungsklauseln; vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 75; hierzu auch Schneider, in: FS Stimpel (1985), S. 887, m. w. N.);
- Exportgarantien;
- Kursgarantien;
- Rentabilitätsgarantien für TU oder Dividendenergänzungsgarantien (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 93);
- Mietgarantien (vgl. auch WFA 1/1984, S. 59);
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