Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 229
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Die Forderung nach Durchhalteabsicht und Durchhaltewahrscheinlichkeit bedeutet nicht, dass die Auflösung einer Sicherungsbeziehung vor Eintritt des ursprünglichen Sicherungszwecks stets rechtlich ausgeschlossen ist, da ansonsten die Bildung von Bewertungseinheiten per se unzulässig wäre. Die Auflösung darf aber nicht lediglich zur Steuerung des Jahresergebnisses (Earnings Management) vorgenommen werden (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. H, Rn. 45). Dies wäre ein Verstoß gegen § 264 Abs. 2.
Eine Auflösung der Sicherungsbeziehung darf damit vor Erreichen des ursprünglichen Sicherungszwecks nur bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und bei Vorliegen plausibler wirtschaftlicher Gründe erfolgen (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. H, Rn. 45).
Eine vorzeitige Beendigung ist mithin bilanziell lediglich dann zulässig, wenn hierfür auch im ökonomischen Risikomanagement nachvollziehbare wirtschaftliche Gründe vorliegen und diese Gründe weder Merkmale von Spekulation bzw. zu Handelszwecken gehaltenen Instrumenten enthalten noch in einem bewussten Bilanzmanagement münden (vgl. auch Beck-HdR, B 737 (2014), Rn. 199, 354ff.).
Gemäß IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 47, kann eine vorzeitige Auflösung der Bewertungseinheit "nur" in folgenden Fällen erfolgen:
(1) |
Wegfall des Grundgeschäfts und/oder des Sicherungsinstruments bzw. Ausfall oder akut drohender Ausfall eines Kontrahenten. |
(2) |
Ablauf des in der Dokumentation ex ante definierten Sicherungszeitraums. |
(3) |
Die prospektive Beurteilung der Wirksamkeit ergibt, dass von einer wirksamen Sicherungsbeziehung in der Zukunft nicht mehr ausgegangen werden kann. |
(4) |
Der Betrag der bisherigen Unwirksamkeit lässt sich zum Abschlussstichtag nicht mehr verlässlich ermitteln. |
Da der HFA sagt, dass eine Auflösung "nur" in den genannten (vier) Fällen möglich sein soll, ist diese Aufzählung des HFA – formal gesehen – wohl als abschließend anzusehen. Dieser restriktiven Sicht kann hier nicht gefolgt werden, da es auch weitere wirtschaftlich sinnvolle Gründe geben kann, eine Sicherungsbeziehung aufzugeben, und der Gesetzgeber keine diesbezüglichen Einschränkungen gemacht hat.
Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 127) "müssen für eine vorzeitige Beendigung einer Bewertungseinheit plausible wirtschaftliche Gründe vorliegen". Soweit danach ein plausibler wirtschaftlicher Grund vorliegt, kann eine Sicherungsbeziehung bzw. Bewertungseinheit mit entsprechenden bilanziellen Folgen aufgehoben werden. Damit engt IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 47 die Absicht des Gesetzgebers unzulässigerweise ein.
Rn. 230
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Hierzu gehören bspw. auch subjektiv gesunkene Wert- und Zahlungsstromänderungsrisiken oder der Zugang anderweitiger ("natürlicher") Absicherungen (z. B. im Währungsbereich), weshalb ursprünglich kontrahierte Sicherungsinstrumente nicht mehr aufrechterhalten werden müssen (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. H, Rn. 45). Bei antizipativen Bewertungseinheiten kann auch die Auflösung der Sicherungsbeziehung bspw. dann notwendig werden, wenn erkennbar wird, dass das Grundgeschäft – die erwartete Transaktion – wider Erwarten nicht eintritt.
Rn. 231
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Die Sicherungsbeziehung bzw. Sicherungsstrategie muss grds. für einen wirtschaftlich sinnvollen und bei Abschluss des Sicherungsinstruments geplanten sowie dokumentierten Zeitraum durchgehalten werden (vgl. Pfitzer/Scharpf/Schaber, WPg 2007, S. 675 (681)). Ob ein Sicherungsinstrument, wie z. B. ein Zinsswap, für seine gesamte Laufzeit oder nur für einen Teil seiner Laufzeit als Sicherungsinstrument eingesetzt wird, hängt auch vom abzusichernden Risiko ab.
Rn. 232
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Die Durchhalteabsicht ist in diesem Zusammenhang dahingehend zu verstehen, dass der Sicherungszusammenhang aufgrund der Vorgaben der dokumentierten Sicherungsstrategie für die beabsichtigte bzw. für eine wirtschaftlich sinnvolle Zeitspanne durchzuhalten ist. Es muss hierfür mithin bereits bei Eingehen der Sicherungsbeziehung eine hohe Durchhaltewahrscheinlichkeit bestehen; es darf insbesondere kein widersprüchliches Verhalten in der Vergangenheit feststellbar sein.
Rn. 233
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Hat ein Unternehmen in der Vergangenheit wiederholt Sicherungsbeziehungen in ähnlicher Weise durchgeführt und entsprechend aufrechterhalten, unterstützt dies die Vermutung, dass das Unternehmen gewillt ist, dies auch in Zukunft zu tun (zu weiteren Einzelheiten vgl. Pfitzer/Scharpf/Schaber, WPg 2007, S. 675 (681)). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine häufigere oder regelmäßige vorzeitige Auflösung von gebildeten Bewertungseinheiten – z. B. durch ein nicht geplantes Veräußern bzw. Schließen des als Sicherungsinstrument eingesetzten Finanzinstruments oder durch einen Abgang oder Nichteintritt des Grundgeschäfts – ohne plausiblen wirtschaftlichen Grund die Durchhalteabsicht als Tatbestandsmerkmal für die Zulässigkeit künftiger Bewertungseinheiten infrage stellt. Eine vorzeitige Auflösung einer Siche...