Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
a) Rechtliche Einordnung
Rn. 223
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ein wirksamer Forderungsverzicht setzt einen Erlassvertrag gemäß § 397 BGB zwischen der Gesellschaft und ihrem Gläubiger voraus, in dem der Wille der Beteiligten, betreffende Schuld zum Erlöschen zu bringen, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. Palandt (2024), § 397 BGB, Rn. 5f.). Davon ist in jedem Fall auszugehen, wenn die Vereinbarung das Ziel verfolgt, eine bilanzielle Überschuldung zu vermeiden (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 30.05.1990, I R 41/87, BStBl. II 1991, S. 588ff.; ADS (1998), § 246, Rn. 145ff.) oder FK in EK umzuwandeln (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 74ff.). Mit dem Forderungsverzicht entfällt zugleich das Recht auf Verzinsung des hingegebenen Kap.
Rn. 224
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
In Abhängigkeit davon, ob bzw. in welcher Form eine Besserungsabrede für den Forderungsverzicht vereinbart wird, ergeben sich mehrere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die aus bilanzieller Sicht unterschiedlich zu beurteilen sind (vgl. Häuselmann, BB 1993, S. 1552f.). Ein unbedingter Forderungsverzicht liegt vor, wenn der Gläubiger auf die Gewährung eines Besserungsscheins verzichtet oder die Gesellschaft sich in einem Besserungsschein verpflichtet, Nachzahlungen auf die erlassenen Schulden zu leisten, die unter der aufschiebenden Bedingung einer Verbesserung ihrer Vermögensverhältnisse stehen (vgl. Niemann/Mertzbach, DStR 1992, S. 929 (932)). Davon zu unterscheiden sind auflösend bedingte Forderungsverzichte. Bei diesen wird der Forderungsverzicht mit Eintritt der Bedingung zivilrechtlich so beurteilt, "als sei er von Anfang an nicht erklärt worden" (BFH, Urteil vom 30.05.1990, I R 41/87, BStBl. II 1991, S. 588 (591)). Die Wirkungen des Bedingungseintritts können schuldrechtlich auf den Zeitpunkt des Forderungsverzichts zurückbezogen werden (vgl. § 159 BGB). Das führt u. a. dazu, dass die Gesellschaft – soweit es ihre Vermögensverhältnisse zulassen – Zinsen so zu bezahlen hat, als ob der Forderungsverzicht nie ausgesprochen worden wäre (vgl. BFH, Urteil vom 30.05.1990, I R 41/87, BStBl. II 1991, S. 588 (593)).
b) Behandlung im Jahresabschluss
Rn. 225
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ein Erlassvertrag begründet regelmäßig eine Pflicht zur Auflösung der betreffenden Verbindlichkeit, da diese durch den Erlass beseitigt wird (vgl. zustimmend Döllerer, in: FS Forster (1992), S. 199 (203); Häuselmann, BB 1993, S. 1552 (1553), m. w. N.; Thiel, GmbHR 1992, S. 20 (26); zudem BFH, Urteil vom 30.05.1990, I R 41/87, BStBl. II 1991, S. 588 (591ff.)). Aufgrund einer Besserungsabrede ggf. zukünftig neu entstehende (ungewisse) Schulden sind nur in die Bilanz aufzunehmen, wenn sie am BilSt bereits wirtschaftlich verursacht sind. Dazu muss nach der Rspr. des BFH der Tatbestand, dessen Rechtsfolge die Verbindlichkeit ist, i.W. vor dem BilSt verwirklicht sein. Das endgültige Entstehen der Schuld darf mithin nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängen (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 35ff.). Bei aufschiebend bedingten oder unter einer auflösenden Bedingung erlassenen Verbindlichkeiten stellt der Bedingungseintritt ein wirtschaftlich wesentliches Tatbestandsmerkmal dar (vgl. Döllerer, in: FS Forster (1992), S. 199 (203); Niemann/Mertzbach, DStR 1992, S. 929 (932); Schmidt: EStG (2023), § 5, Rn. 550). Sie sind daher erst dann zu passivieren, wenn aufgrund der Entwicklung bis zum BilSt. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt der jeweiligen Bedingung auszugehen ist.
Rn. 226
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Anders stellt sich die Situation dar, wenn der zwischen Gläubiger und Gesellschaft geschlossene Erlassvertrag keine echte Entlastung des Stichtagsvermögens mit sich bringt, sondern wirtschaftlich einer Stundung gleichkommt. Dies ist bspw. der Fall, wenn die (auflösend bedingt erlassene) Forderung des Gläubigers in der Insolvenz der Gesellschaft wieder aufleben soll. Unter dieser Voraussetzung kommt eine Ausbuchung der Verbindlichkeit nicht in Betracht (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 155, m. w. N.). Dies gilt dann nicht, wenn ein Anspruch nur bei Liquidation der Gesellschaft und nach Befriedigung aller Gläubiger gleichrangig mit den Gesellschaftern geltend gemacht werden kann.
Rn. 227
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eine etwaige Auflösung von Verbindlichkeiten infolge eines Forderungserlasses ist grds. erfolgswirksam nachzuvollziehen und führt zum Ausweis eines sonstigen betrieblichen Ertrags in der GuV. Verzichtet ein Gesellschafter auf seine Forderung gegen die Gesellschaft, steht es ihm alternativ frei, den Zuschuss als andere Zuzahlung nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 zu gewähren, die ohne Berührung der GuV in die Kap.-Rücklage einzustellen ist (vgl. Häuselmann, BB 1993, S. 1552 (1553), sowie allg. HdR-E, HGB § 272, Rn. 102ff.; kritisch zu diesem Wahlrecht NWB HGB-Komm. (2023), § 246, Rn. 98).
Rn. 228
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Wurde eine Besserungsabrede getroffen, ist mit dem Eintritt der an sie geknüpften Bedingung die ursprünglich erlassene Verbindlichkeit wieder in voller Höhe auszuweisen. Buchungstechnisch erf...