Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Tz. 15
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Vorstandsmitglieder haben untereinander kollegial zusammenzuarbeiten. Dies bedeutet insbesondere, dass jedes der Vorstandsmitglieder die anderen über alle wesentlichen Vorgänge und Vorkommnisse informieren muss, die für die Gesellschaft oder die Kompetenzbereiche anderer Vorstandsmitglieder von Bedeutung sind. Aufgetretene Spannungen zwischen den Vorstandsmitgliedern sind zu überwinden, ggf. durch die Einschaltung des Gesamtvorstands oder AR (vgl. AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 166ff.; Beck AG-HB (2018), § 6, Rn. 110f.). Bei einer Beschlussfassung überstimmte oder nicht anwesende Vorstandsmitglieder sind an den Beschluss gebunden und verpflichtet, an seiner Ausführung mitzuwirken. Handelt es sich um rechtswidrige Beschlüsse, so müssen die Vorstandsmitglieder alles Zumutbare unternehmen, um die Ausführung zu verhindern. Eine Verpflichtung zur Amtsniederlegung besteht hingegen grds. nicht. Durch einen zulässigen Geschäftsverteilungsplan werden die einzelnen Vorstandsmitglieder von ihrer Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung zwar nicht befreit. Sie sind allerdings in erster Linie für das ihnen übertragene Ressort zuständig. Hinsichtlich der anderen Ressorts trifft sie eine Überwachungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.2001, VI ZR 407/99, NJW 2001, S. 969 (971); BGH, Urteil vom 06.11.2018, II ZR 11/17, NZG 2019, S. 225 (226)). Bei der Wahrnehmung dieser Überwachungspflicht dürfen die Vorstandsmitglieder grds. auf die Informationen des ressortzuständigen Vorstandsmitglieds vertrauen. Erst wenn sich dabei Anhaltspunkte für pflichtwidriges Verhalten eines Vorstandsmitglieds ergeben, müssen die übrigen Vorstandsmitglieder weitergehende Maßnahmen ergreifen und einschreiten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.08.2000, 18 U 42/00, NZG 2001, S. 135f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.1995, 40 O 226/94, ZIP 1995, S. 1985 (1992f.); MünchKomm. AktG (1973), § 93, Rn. 26f.; Fleischer (2006), § 8, Rn. 19; Grigoleit-AktG (2020), § 93, Rn. 57; Nietsch, ZIP 2013, S. 1449 (1451f.)). In bestimmten Situationen besteht eine gesteigerte Überwachungspflicht, namentlich in Krisenzeiten sowie bei Wahrnehmung solcher Aufgaben, die dem Gesamtvorstand als Organ zugewiesen sind, deren Vorbereitung aber auf ein einzelnes Vorstandsmitglied delegiert wird (vgl. Fleischer (2006), § 8, Rn. 20; überdies BGH, Urteil vom 06.11.2018, II ZR 11/17, NZG 2019, S. 225 (226); BGH, Urteil vom 09.01.2001, VI ZR 407/99, NJW 2001, S. 969 (971)). Bei der Delegation von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter ist darauf zu achten, dass diese die dafür erforderlichen persönlichen und fachlichen Qualifikationen besitzen. Ferner sind diese Mitarbeiter in die an sie delegierten Aufgaben einzuweisen und auf Risiken hinzuweisen. Die Verantwortungsbereiche der Mitarbeiter sollten nach Möglichkeit in Organisationsanordnungen genau festgelegt werden. Bei dem delegierenden Vorstandsmitglied verbleibt eine Restzuständigkeit insoweit, als dass es für eine laufende Kontrolle des Mitarbeiters sorgen und bei Verdachtsmomenten einschreiten muss (vgl. Fleischer, AG 2003, S. 291 (292ff.); HdR-E, AktG § 93, Rn. 9a). Unzulässig ist die Delegation sog. Leitungsaufgaben. Es handelt sich dabei um Aufgaben, die kraft Gesetzes ausdrücklich dem Vorstand als Kollegialorgan zugewiesen sind (z. B. Sorge für die Führung der erforderlichen Handelsbücher; vgl. § 91 Abs. 1 AktG) sowie UN-Planung, -Koordination, -Kontrolle und die Besetzung der Führungsstellen. Der Vorstand darf insofern zwar Vorbereitung und Ausführung auf einzelne Vorstandsmitglieder, nachgeordnete Mitarbeiter oder Dritte delegieren. Allerdings muss ihm die letztverantwortliche Entscheidung verbleiben (vgl. Hölters-AktG (2022), § 76, Rn. 8ff.; Hüffer-AktG (2022), § 76, Rn. 8f.).