Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
a) Rechtliche Einordnung
Rn. 246
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die in den §§ 230 bis 236 fragmentarisch geregelte stille Gesellschaft gehört als eine besondere Ausprägung der GbR zu den PersG i. S. d. § 705 BGB. Eine gesetzliche Definition der stillen Gesellschaft existiert nicht; vielmehr konzentrieren sich die Regelungen der §§ 230ff. auf einzelne Merkmale und Rechtsfolgen, die zudem teilweise abdingbar sind.
Die stille Gesellschaft entsteht durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, kraft dessen sich der stille Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage am Handelsgewerbe eines UN-Trägers beteiligt. Diese Einlage führt anders als bei den Handelsgesellschaften nicht zur Bildung eines gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens, sondern geht gegen Gewährung einer unabdingbaren Gewinnbeteiligung in das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes über (vgl. § 230 Abs. 1 i. V. m. § 231 Abs. 1). Die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Verlust kann demgegenüber gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen werden.
Rn. 247
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ihrer Rechtsnatur nach stellt die stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft dar, die nicht selbständig im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt und damit nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann (vgl. Hense (1990), S. 10ff.). Insbesondere trifft sie keine Pflicht zur Erstellung eines eigenständigen JA (vgl. Döllerer, DStR 1985, S. 295f.). Die Geschäfte der Gesellschaft werden nach außen im Namen des Inhabers des Handelsgewerbes geschlossen, im Innenverhältnis dagegen auf gemeinsame Rechnung geführt (vgl. Blaurock (2020a), Rn. 10). Als Korrektiv zu der regelmäßig fehlenden Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis verfügt der stille Teilhaber über kommanditistengleiche Kontrollrechte, die nicht ausgeschlossen werden können (vgl. § 233).
Rn. 248
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Wird die stille Gesellschaft aufgelöst (vgl. zu den Auflösungsgründen Hense (1990), S. 52ff.), hat sich der Inhaber des Handelsgeschäfts "mit dem stillen Gesellschafter auseinanderzusetzen und dessen Guthaben in Geld zu berichtigen" (§ 235 Abs. 1). Im Fall der Insolvenz des Geschäftsinhabers kann der Stille seine Einlage – soweit sie den Betrag des auf ihn entfallenden Verlustanteils übersteigt – als Insolvenzforderung geltend machen (vgl. § 236 Abs. 1). Insoweit wird er als Insolvenzgläubiger behandelt. Aus dieser Regelung wird gefolgert, dass es sich bei der stillen Gesellschaft nach dem gesetzlichen Regelungsvorschlag um ein qualifiziertes Kreditverhältnis handelt (vgl. Schmidt (2002), S. 1862; Westerfelhaus, DB 1988, S. 1173 (1175); Reusch, BB 1989, S. 2358 (2359)). Vom partiarischen Darlehen unterscheidet sie sich – abgesehen von einer etwaigen Verlustbeteiligung des stillen Teilhabers – insbesondere durch die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist im Wege der Auslegung unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen (vgl. Blaurock (2020b), Rn. 32). Dabei kommt der Ausgestaltung des Innenverhältnisses, insbesondere dem Umfang der dem Kap.-Geber eingeräumten Kontrollrechte, besondere Bedeutung zu (vgl. BFH, Urteil vom 08.03.1984, I R 31/80, BStBl. II 1984, S. 623ff.; Blaurock (2020b), Rn. 34f.).
Rn. 249
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die weitgehend dispositiven Regelungen für die stille Gesellschaft haben über den gesetzlichen Idealtypus hinaus eine breite Typenvielfalt hervorgebracht. Weicht die Ausgestaltung einer stillen Gesellschaft vom gesetzlichen Regelungsvorschlag ab, liegt eine atypisch stille Gesellschaft vor. Üblicherweise werden dabei eine Beteiligung des stillen Teilhabers am UN-Vermögen und/oder eine Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen vereinbart (vgl. Hense (1990), S. 17ff.; Schmidt (2002), S. 1847ff.). Wichtiger als im Handelsrecht ist die Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stiller Gesellschaft im Steuerrecht: Während der typisch stille Gesellschafter Einkünfte aus Kap.-Vermögen erzielt, wird der atypisch stille Gesellschafter vielfach als Mitunternehmer angesehen und den Gesellschaftern einer OHG bzw. KG gleichgestellt. Als Indizien für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft gelten i.W. das Ausüben von Mitunternehmerinitiative sowie das Tragen eines Teils des Unternehmerrisikos, wobei im Einzelfall das eine oder andere Merkmal mehr oder weniger stark ausgeprägt sein kann (vgl. BFH, Urteil vom 27.05.1993, IV R 1/92, DB 1994, S. 125ff.; Levedag (2020), Rn. 1ff.; Döllerer, DStR 1985, S. 295ff.).
b) Behandlung im Jahresabschluss
Rn. 250
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Auch für die stille Gesellschaft haben sich bislang noch keine gefestigten Grundsätze hinsichtlich ihrer Abbildung im handelsrechtlichen JA herausgebildet (vgl. Beck-HdR, B 231 (2011), Rn. 15f.; Westerfelhaus, DB 1988, S. 1173). Für die Einlageleistung des stillen Gesellschafters ist in jedem Fall ein Passivposten anzusetzen. Eine erfolgswirksame Vereinnahmung kommt nicht in Betracht (vgl. Hense, (1990), S. 142, m. w. N.). Strittig ist hingegen, in welcher Form das E...