Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 203
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Bei perfekten Micro-Hedges spricht nach dem Gesetzgeber (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 126) – wenn i. R.e. Bewertungseinheit die Parameter (insbesondere Währung, Nominalbetrag, Laufzeit, Zinstermine) von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument nur unwesentlich voneinander abweichen (vgl. ebenso DGRV (2016), Teil 1, Kap. D. II. 4.3.6) und dadurch die Unwirksamkeiten betragsmäßig nicht wesentlich sind bzw. werden können – beim prospektiven Effektivitätstest nichts dagegen, an die Messung der Wirksamkeit geringere Anforderungen zu stellen (vgl. ebenso Scharpf/Schaber (2015), S. 445 sowie NWB HGB-Komm. (2018), § 254, Rn. 50). In diesen Fällen kann eine prospektive Wirksamkeit unterstellt werden.
Hierbei müssen die (wertbestimmenden) Vertragsbestandteile (Parameter) von abgesichertem Grundgeschäft und Sicherungsinstrument übereinstimmen (Währung, Nominalbetrag, Laufzeit, Zinstermine, weitgehend identischer Festzinssatz von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument bei Verwendung von Zinsswaps). Mithin kann hier auch die Critical Terms Match-Methode bei der prospektiven Feststellung der Wirksamkeit zur Anwendung kommen (vgl. Petersen/Zwirner (2009), Kap. XI, S. 424 (427)), die sich auch nur für eine Anwendbarkeit bei prospektiver Betrachtung aussprechen; überdies WP-HB (2017), Rn. F 216; zu weiteren Details vgl. auch DGRV (2016), Teil 1, Kap. D. II. 4.3.6.).
Beispiele:
(1) |
Absicherung eines festverzinslichen Wertpapiers gegen das Zinsänderungsrisiko in Form des Marktwertrisikos mittels eines Plain-Vanilla-Payer-Zinsswaps (Festsatzzahler), der in Bezug auf das Nominalvolumen, die Laufzeit (Fälligkeit), die Festzinszahlungszeitpunkte sowie die Usancen zur Ermittlung des Festsatzkupons exakt mit den entsprechenden Ausstattungsmerkmalen der Anleihe übereinstimmt. |
(2) |
Absicherung der aus einer eingetretenen Aktienoption einer emittierten Aktienanleihe resultierenden Aktienkurs- und Optionsrisiken durch den Verkauf einer entsprechenden Anzahl von europäischen Put-Optionen, die in Bezug auf die Kontraktgröße (Anzahl der Aktien, die einem Optionskontrakt zugrunde liegt), den Basispreis (Ausübungspreis) und die Laufzeit (Fälligkeit) exakt mit den eingebetteten Long-Put-Optionen übereinstimmen. |
(3) |
Absicherung einer variabel verzinslichen Verbindlichkeit gegen das Risiko steigender Zinsen ab einer bestimmten Grenze (Obergrenze) durch den Kauf eines Caps, der in Bezug auf das Nominalvolumen, die Laufzeit (Endfälligkeit), den Referenzzinssatz (z. B. 6-Monats-EURIBOR), die Zinsfixingtermine sowie die Usancen zur Ermittlung der Ausgleichszahlungen (Tageszählmethode, Geschäftstage-Konvention, Feiertagskalender) exakt mit den entsprechenden Vertragsbestandteilen der Verbindlichkeit übereinstimmt. |
(4) |
Absicherung des Wechselkursrisikos aus erwarteten Verkaufserlösen in Fremdwährung mit einem zu marktgerechten Bedingungen kontrahierten Devisentermingeschäft. Sofern die Währung, das Volumen und die Laufzeit von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument identisch sind, ist die prospektive Wirksamkeit gegeben. |
In derartigen Fällen ist eine regelmäßige rechnerische prospektive Prüfung der Wirksamkeit nicht erforderlich, da es sich in allen Fällen um perfekte Sicherungsbeziehungen handelt, bei denen geeignete Sicherungsinstrumente eingesetzt wurden, die zum "bestmöglichen" Sicherungsergebnis führen. Soweit die bewertungsrelevanten Vertragsbestandteile nur unwesentlich voneinander abweichen und die Wertunterschiede nachgewiesenermaßen nur unwesentlich sein können, erscheint die Short Cut-Methode bzw. Critical Terms Match-Methode auch hier vertretbar.
In den übrigen Fällen, insbesondere bei Macro- und Portfolio-Hedges, sind jedoch i. R.d. prospektiven Prüfung der Wirksamkeit auch quantitative Analysen notwendig, wie bspw. Sensitivitäts- und Szenarioanalysen etc., aber auch die sog. historische Dollar-Offset-Methode, mittels der Wert- und Zahlungsstromänderungen des Grundgeschäfts und Sicherungsinstruments aus einem zurückliegenden Vergleichszeitraums verglichen werden (vgl. so NWB HGB-Komm. (2018), § 254, Rn. 51).
Rn. 204
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 58, verlangt für die Anwendung der Short Cut- bzw. Critical Terms Match-Methode, dass
(1) |
alle wertbestimmenden Faktoren zwischen dem abgesicherten Teil des Grundgeschäfts und dem absichernden Teil des Sicherungsinstruments (absolut) übereinstimmen, und |
(2) |
alle nicht übereinstimmenden Wertkomponenten von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument den nicht in die Bewertungseinheit einbezogenen Wertkomponenten zugeordnet werden (Letzteres bedeutet implizit, dass in diesen Fällen stets eine rechnerische Ermittlung einer evtl. Unwirksamkeit stattzufinden hat). |
Zu dem Kriterium unter (1) wird von IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 58, u. a. (siehe Klammerzusatz) verlangt, dass ein (absolut) "identischer Festsatz von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument bei Verwendung von Zinsswaps" vorhanden ist. Allein diese Vorgabe führt für Zinsswaps faktisch dazu, ...