Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
aa) Allgemeines
Rn. 634
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Unmittelbare Altersversorgungsverpflichtungen sind aufgrund des § 249 Abs. 1 Satz. 1 grds. voll zu passivieren. Da § 249 erstmals auf GJ anzuwenden war, die nach dem 31.12.1986 begannen (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 EGHGB), war z. B. zum Ende eines GJ, das vom 01.10.1986 bis zum 30.09.1987 reichte – auch für eine am 01.09.1987 erteilte Versorgungszusage – noch keine Rückstellung zu bilden, wohl aber im darauffolgenden GJ. Anders war es aber, wenn ein Rumpf-GJ vom 01.01. bis zum 30.09.1987 eingeschoben wurde (vgl. zu den Ausnahmen von der Passivierungspflicht des § 249 Abs. 1 Satz 1 und der Differenzierung zwischen sog. Alt- und Neuzusagen HdR-E, HGB § 249, Rn. 641ff.).
bb) Unmaßgeblichkeit steuerrechtlicher Passivierungsvoraussetzungen
Rn. 635
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rückstellungsbildung ist zwischen den steuerrechtlichen und den handelsrechtlichen Anforderungen zu unterscheiden. So ist die Bildung einer Pensionsrückstellung in der StB gemäß § 6a Abs. 1 EStG u. a. nur dann zulässig, wenn die Zusage schriftlich erteilt und dem Versorgungsberechtigten ein Rechtsanspruch eingeräumt wurde.
Rn. 636
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Anders als im Steuerrecht ist die Einhaltung der Schriftform (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG) handelsrechtlich unbeachtlich (vgl. zum Schriftformerfordernis des § 6a EStG L/B/P (2020), § 6a EStG, Rn. 99ff.). Es fehlt insoweit nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage, vielmehr würde eine solche Regelung, die nur die Berücksichtigung von Verpflichtungen aus schriftlich fixierten Versorgungszusagen vorschreiben würde, handelsrechtlich keinen Sinn machen. Denn die arbeitsrechtliche Verpflichtung, der das Handelsrecht letztlich Rechnung tragen muss, besteht unabhängig davon, ob ihr eine schriftliche oder mündliche Zusage zugrunde liegt oder ob sie "nur" auf einer betrieblichen Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz beruht (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Das Bestehen einer ungewissen Verbindlichkeit ist unabhängig vor ihrem Rechtsbegründungsakt.
Rn. 636a
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Laut § 6a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG muss die Pensionszusage auch eindeutige Aussagen zu Art, Form und Voraussetzungen sowie Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten. In der HB ist dies aber im Gegensatz zur StB nicht Passivierungsvoraussetzung. Wenn die ab 1987 erteilte Zusage (Neuzusage; vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 645ff.) nicht eindeutig ist, muss für sie dennoch eine Pensionsrückstellung in der HB gebildet werden. Es ist dann der Verpflichtungsumfang zu unterstellen, der dem möglichen Auslegungsergebnis durch die Rspr. am nächsten kommt. Dabei ist im Zweifel eher ein höherer als ein geringerer Verpflichtungsgrad anzunehmen. Denn dies gebietet das Vorsichtsprinzip aus § 252 Abs. 1 Nr. 4.
Rn. 637
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Zweifel könnten demgegenüber bei der Frage des Rechtsanspruchs auftauchen (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG), denn Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB stellt bei der Abgrenzung der "Altzusagen" auf den Erwerb des Rechtsanspruchs ab. Eine reine Wortlautinterpretation ließe zwei Deutungen zu:
(1) |
Die Herausnahme der "Altzusagen" aus der Passivierungspflicht bezieht sich nur auf solche mit Rechtsanspruch, während bei fehlendem Rechtsanspruch auch für "Altzusagen" die Passivierungspflicht gilt. Dieses Ergebnis wäre jedoch insoweit widersinnig, als bereits der mit dem Ausschluss des Rechtsanspruchs verbundene geringere Verpflichtungsgrad eine Passivierungspflicht auslöst, während beim Einräumen des Rechtsanspruchs ein Verpflichtungsausweis unterbleiben dürfte. |
(2) |
Unmittelbare Altersversorgungsverpflichtungen fallen überhaupt nur dann unter die ungewissen Verbindlichkeiten, wenn dem Berechtigten ein Rechtsanspruch eingeräumt ist. Auch das würde aber zu einem Widerspruch führen. Denn zu diesen Verbindlichkeiten gehören gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB auch die mittelbaren Pensionsverpflichtungen und insbesondere die Unterstützungskassenzusagen, bei denen ein Rechtsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG). Der Gesetzgeber hätte aber mittelbare Altersversorgungsverpflichtungen nicht ausdrücklich von der Passivierungspflicht ausnehmen müssen, wenn ohnehin der fehlende Rechtsanspruch keine Passivierungspflicht begründet. |
Man muss davon ausgehen, dass der Gesetzgeber entweder den Fall einer unmittelbaren Pensionsverpflichtung mit ausdrücklich ausgeschlossenem Rechtsanspruch nicht gesehen oder aber richtig erkannt hat, dass dem Fehlen eines Rechtsanspruchs arbeitsrechtlich keine durchgreifende Bedeutung zukommt. Denn nach der Rspr. des BAG bedeutet im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Ausschluss des Rechtsanspruchs lediglich ein Widerrufsrecht, das an Treu und Glauben, d. h. an billiges Ermessen und damit an sachliche Gründe gebunden ist (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.1973, 3 AZR 381/72, DB 1973, S. 1704 (1705)). Somit ist auch die Frage des Rechtsanspruchs letztlich bedeutungslos. Man muss die Worte "seinen Rechtsanspruch" in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 E...