Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Peter Dittmar
I. Gegenstand und Umfang der Prüfung des Jahresabschlusses
Rn. 1
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Gegenstand und Umfang der Prüfung sind für den JA und den KA gemeinsam in § 317 geregelt. Unter dem Prüfungsgegenstand versteht der Gesetzgeber die im Gesetz genannten Komponenten der RL. Bei der Prüfung des JA sind dies die Bilanz, die GuV, der Anhang und der Lagebericht (vgl. auch §§ 242, 264 und 316) sowie die zugrunde liegende Buchführung und das Inventar. Für kap.-marktorientierte UN, die nicht zur Aufstellung eines KA verpflichtet sind, müssen – vorbehaltlich einer optional erstellten Segmentberichterstattung – ergänzend die KFR und der EK-Spiegel einbezogen werden (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 2). Zur Buchführung ist hierbei nicht nur die Finanzbuchführung zu zählen, sondern auch die im UN geführten Nebenbücher, wie die Anlagen-, Lohn- und Gehalts-, Kontokorrent- oder Lagerbuchführung. Zudem hat der AP bei aktivierten Entwicklungskosten eine erforderliche Nebenbuchführung für die Abgrenzung und Bewertung von FuE-Kosten zu prüfen. Das Aktivierungswahlrecht (gemäß § 248 Abs. 2 Satz 1) fordert einen eigenständigen Ausweis in der Bilanz und im Anlagespiegel für selbst erstellte immaterielle VG des AV (vgl. § 266 Abs. 2 und § 284 Abs. 3). Hierfür ist der Aufbau einer entsprechenden Nebenbuchführung notwendig, damit das UN die geforderten Bewegungsarten abbilden kann (vgl. Seidel/Grieger/Muske, BB 2009, S. 1286 (1290)).
Bei der Prüfung des KA umfasst der Prüfungsgegenstand die im KA zusammengefassten JA, die KB, die Konzern-GuV, den Konzernanhang, die Konzern-KFR, den Konzern-EK-Spiegel sowie den Konzernlagebericht (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 29; Baetge/Kirsch/Thiele (2021a), S. 41). Sofern der KA um eine freiwillige Segmentberichterstattung (vgl. § 297 Abs. 1 Satz 2) erweitert wird, ist diese ebenfalls durch den AP verpflichtend zu prüfen. Bei einer abhängigen AG, KGaA bzw. SE (vgl. § 17 Abs. 1 AktG), die weder durch einen BHV noch durch einen GAV gebunden ist, ist außerdem der gemäß der §§ 312 und 316 AktG aufzustellende Abhängigkeitsbericht durch den AP zu prüfen (vgl. § 313 Abs. 1 Satz 1f. AktG).
Rn. 2
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der in § 317 kodifizierte gesetzliche Prüfungsgegenstand kann weder durch den AP auf eigene Initiative noch durch Regelungen im Prüfungsvertrag beschränkt werden. Hingegen sind Erweiterungen des Prüfungsgegenstands durch den Auftraggeber zulässig (vgl. WP-HB (2023), Rn. L 12).
Rn. 3
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Nicht i. R.d. JA-Prüfung prüfungspflichtig sind z. B. die Einhaltung von über die RL hinausgehenden Normen (z. B. Arbeitsrecht, Außenwirtschaftsrecht, Verbraucherschutzbestimmungen), der Versicherungsschutz (als Aufgabe der Geschäftsführung), der Vergütungsbericht nach § 162 AktG, der Zahlungsbericht nach den §§ 341qff., der Bericht des AR nach § 171 Abs. 2 AktG, der Ertragsteuerinformationsbericht nach § 342m Abs. 1 oder 2, der unterjährige Zwischenbericht sowie die fristgerechte Offenlegung des JA (ggf. auch des IFRS-EA, des Gewinnverwendungsvorschlags und des Gewinnverwendungsbeschlusses) oder des KA, weil die Offenlegung der Prüfung nachgelagert ist (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 8; ADS (2000), § 316, Rn. 18, 38, sowie § 317, Rn. 21, 93, 122). Eine Offenlegung der VJ-Unterlagen ist indes zu prüfen, ebenso die ESEF-Konformität des Offenlegungsformats des aktuellen GJ nach § 317 Abs. 3a (vgl. HdR-E, HGB § 317, Rn. 153ff.).
Rn. 4
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der klaren Abgrenzung des Prüfungsgegenstands steht keine entsprechende eindeutige gesetzliche Festlegung des Prüfungsumfangs gegenüber. Zur Zahl der zu untersuchenden Elemente sagt das Gesetz nichts aus. Es schreibt nicht vor, dass die Prüfung als Voll- oder als Auswahlprüfung durchzuführen ist bzw. wie groß bei Auswahlprüfungen die Stichprobe in bestimmten Prüfungsfeldern sein muss. Vielmehr bestimmt der AP den Prüfungsumfang i. R.d. Eigenverantwortlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen. Er ist lediglich verpflichtet, die Prüfung so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen § 317 Abs. 1 Satz 2, die eine wesentliche Auswirkung auf die RL des UN haben, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 135). Das Ermessen des AP wird aber mittelbar durch die gesetzlichen Regelungen zum Prüfungsgegenstand, zu den Prüfungsaussagen sowie zur Prüfungsdurchführung begrenzt.
Rn. 5
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der Prüfungsgegenstand ist im HGB konkret bestimmt. Die Elemente des Prüfungsgegenstands sind die vom AP zu beurteilenden Sachverhalte. Zahl und Komplexität dieser Sachverhalte bestimmen wesentlich das Ausmaß bzw. den Umfang der Prüfung. Die Prüfungsaussage legt das Gesetz mit den in § 317 Abs. 1 Satz 2f., Abs. 2, 3a und 4 geforderten Aussagen über den Prüfungsgegenstand fest. Der AP muss danach so umfangreich prüfen, dass er beurteilen kann, ob
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die "gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung beachtet worden sind" (§ 317 Abs. 1 Satz 2), |
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"Unrichtigkeiten und Verstöße g... |