Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
I. Regelentstehung
Rn. 1
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
1985 wurden die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesetzlich kodifizierten, aber schon als GoB anerkannten, allg. Bewertungsgrundsätze des Abs. 1 durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355ff.) in deutsches Recht übernommen. Damit reagierte der Gesetzgeber auf das Ziel der Mitgliedstaaten der EG, die RL in Europa zu harmonisieren und folgte damit der 4. EG-R (78/660/EWG) vom 25.06.1978. Mit der sog. (neuen) Bilanz-R 2013/34/EU (ABl. EU, L 182/19ff. vom 29.06.2013) und der damit einhergegangenen Aufhebung der 4. EG-R wurden diese Bewertungsgrundsätze im Prinzip in Art. 6 (zuvor: Art. 31 der 4. EG-R) übernommen, im Wortlaut aber z. T. verändert und erweitert. In der Transformation dieser Bilanz-R hat das sog. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 07.06.2015 (BGBl. I 2015, S. 1245ff.) den § 252 aber unverändert gelassen. Die Transformation in die unter Abs. 1 Nr. 1–6 aufgelisteten Grundsätze enthält hinsichtlich der getroffenen Reihenfolge keine Wertung und stellt auch nicht in Frage, dass andere Bewertungsgrundsätze weiterhin existieren und fortgelten (z. B. Nominalwertprinzip oder Willkürfreiheit; vgl. Biener/Berneke (1986), S. 92). Zentrale Bewertungsgrundsätze, wie der Wesentlichkeitsgrundsatz oder der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, sind zudem explizit in Art. 6 der Bilanz-R, nicht aber in § 252 aufgenommen worden (vgl. z. B. Wengerofsky, DB 2015, S. 873ff.; NWB HGB-Komm. (2021), § 252, Rn. 1, 234a, 243a). Sie sind aber wie andere Bewertungsgrundsätze auch, z. B. das Anschaffungswertprinzip oder das NWP, ohnehin in den GoB verankert und ergeben sich zudem aus handelsrechtlichen Spezialregeln.
Rn. 2
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Der durch das BiRiLiG determinierte Wortlaut des § 252 ist erst wieder durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) verändert worden. Die Änderung beschränkte sich auf Abs. 1 Nr. 6. Die dort angeführte Soll-Vorschrift wurde in eine Muss-Vorschrift überführt (vgl. dazu ausführlich HdR-E, HGB § 252, Rn. 119ff.). Neben dieser unmittelbaren Folge hatte das BilMoG auch mittelbare Auswirkungen auf § 252. Diese resultierten zum einen aus Änderungen in anderen Normen, die dann ihrerseits auf § 252 verweisen (wie z. B. § 254 Abs. 1), oder aus veränderten Spezialregeln, die den allg. Bewertungsgrundsätzen des § 252 vorgehen (wie z. B. § 340e Abs. 3 Satz 1 durch die Bewertung von Wertpapieren des Handelsbestands bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zum beizulegenden Zeitwert oder die Rückstellungsbewertung zum Erfüllungsbetrag gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2; vgl. Haufe HGB-Komm. (2009), § 252, Rn. 10). Dadurch dürfte das BilMoG das Gefüge und die Wertigkeit der allg. Bewertungsgrundsätze insgesamt beeinflusst haben (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 15ff.).
II. Regelungssystematik der allgemeinen Bewertungsgrundsätze
Rn. 3
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Der Zweite Unterabschnitt im Ersten Abschnitt des Dritten Buchs des HGB regelt die Eröffnungsbilanz und den JA. Den im Dritten Titel des Zweiten Unterabschnitts enthaltenen Bewertungsvorschriften (vgl. §§ 252–256a) sind im Zweiten Titel Bilanzierungsvorschriften als "Ansatzvorschriften" (vgl. §§ 246–251) vorangestellt. Während die Ansatzvorschriften die Frage betreffen, ob überhaupt und ggf. welche VG und Schulden (sowie RAP) im JA zu erfassen sind (= Ansatz), beziehen sich "Bewertungsvorschriften" auf die Höhe des Betrags, der für bilanzierte VG und Schulden zum Ansatz kommt (= Bewertung) (vgl. Döllerer, BB 1987, Beilage Nr. 12 zu Heft 16, S. 1 (2ff.); Göllert/Ringling, BB 1985, S. 966 (967ff.)).
Rn. 4
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Innerhalb der Bewertungsvorschriften sind den (speziellen) Normen zu Wertansätzen, Abschreibungen und Bewertungsvereinfachungsverfahren in § 252 "Allgemeine Bewertungsgrundsätze" vorangestellt (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 9ff., 15ff.). Im Einzelnen nennt § 252 Abs. 1:
(1) |
Grundsatz der Wertansatzidentität; |
(2) |
Grundsatz der Fortführung der UN-Tätigkeit; |
(3) |
Grundsatz der Einzelbewertung und Grundsatz der stichtagsbezogenen Bewertung; |
(4) |
Grundsatz der Vorsicht (allg. Bewertungsvorsicht, Imparitäts- und Realisationsprinzip); |
(5) |
Grundsatz zahlungsunabhängiger Periodenzuordnung von Aufwendungen und Erträgen; |
(6) |
Grundsatz der Bewertungsmethodenstetigkeit. |
Die Möglichkeit des Abweichens von den unter § 252 Abs. 1 Nr. 1–6 aufgeführten allg. Bewertungsgrundsätzen besteht nach § 252 Abs. 2 nur in Ausnahmefällen. Ein solches Abweichen setzt voraus, dass es durch die Besonderheit der Bewertungssituation begründet ist (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 26f.). Zudem ist anzumerken, dass (branchenspezifische) Sonderregeln als lex specialis den allg. Bewertungsregeln vorgehen (vgl. z. B. die Durchbrechung des Realisationsprinzips in § 340e Abs. 3 Satz 1).
III. Anwendungsbereich der allgemeinen Bewertungsgrundsätze
Rn. 5
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Die allg. Bewertungsgrundsätze des § 252 stellen "zwingendes Recht" (vgl. ADS (1995), Vorbemerkungen zu §§ 252–256, Rn. 1) für alle Kaufleute dar. Weder ist es möglich, dass im Gesellscha...