Rn. 44

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Durch die Finanzkrise im Jahr 2008 gelangten Zweckgesellschaften infolge ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung in den Blickwinkel nationaler und internationaler RL-Institutionen (vgl. Kuhnle/Schäfer (2006), S. 18; im Übrigen Mojadadr (2013), S. 16ff.). Bei einer Zweck- bzw. Objektgesellschaft, oftmals auch "special purpose entity" (SPE) genannt, handelt es sich um ein UN, das zur Erfüllung eines eng begrenzten und vorher genau definierten Geschäftszwecks zugunsten eines anderen UN – dem MU – gegründet wird. Die Zweckgesellschaft übt mithin aus wirtschaftlicher Sicht eine treuhänderische Tätigkeit aus.

 

Rn. 45

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

An der Gründung einer Zweckgesellschaft, für die als mögliche Rechtsformen eine KapG, ein Treuhandfonds, eine PersG oder eine Nicht-KapG in Frage kommen, sind grds. drei Parteien beteiligt. Erstens ist der Initiator bzw. Sponsor anzuführen, für dessen Zweck die SPE gegründet wird und der als Treugeber fungiert, zweitens der Investor (z. B. Kreditinstitut, Leasinggesellschaft) und drittens die Zweckgesellschaft selbst. Der Initiator überträgt VG und/oder Schulden auf die Zweckgesellschaft und/oder erhält das Recht, das hier zugehörige Vermögen zu nutzen oder andere Leistungen von der Zweckgesellschaft zu empfangen (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. XV, S. 377 (393)). Das notwendige Kap. zur Finanzierung der Zweckgesellschaft wird so weit wie möglich in Gestalt von FK von einem konzernexternen Investor zur Verfügung gestellt. Durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder auch basierend auf einer Treuhandvereinbarung sind in zahlreichen Zweckgesellschaften regelmäßig alle Entscheidungen, die während der Geschäftstätigkeit getroffen werden, vorbestimmt, so dass diese im Interesse des als Treugeber fungierenden Initiators ausgeübt werden. Eine Änderung dieser Bestimmungen ist nur mit dem Einverständnis des Treugebers möglich. Somit erfährt die Einflussnahmemöglichkeit des Leitungsorgans der Zweckgesellschaft eine starke Einschränkung (vgl. Pellens et al. (2021), S. 156f.). Da die Geschäftspolitik, welche die laufende Tätigkeit der Zweckgesellschaft bestimmt, mit Ausnahme des Initiators nicht geändert werden kann, wird unter einem sog. "Autopilot" gearbeitet.

 

Rn. 46

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

In praxi existieren unterschiedliche Ausgestaltungsformen von Zweckgesellschaften, wobei zwei Grundkonzeptionen zu unterscheiden sind:

(1) Die Gründung der Zweckgesellschaft erfolgt durch den Initiator sowie den Investor gemeinsam. Der Initiator erbringt hierbei – soweit gesellschaftsrechtlich möglich – den gesamten Teil der Kap.-Einlage, wobei die Mehrheit der Stimmrechte sowie das Recht zur Geschäftsführung beim Investor liegen. Es kommt zu einer disproportionalen Verteilung von Kap. und Stimmrechten.
(2) Die Gründung der Zweckgesellschaft erfolgt durch den Investor für Zwecke des Initiators. Letzterer hält in Abwandlung zur ersten Variante nur einen geringfügen Anteil am EK der Zweckgesellschaft oder ist u. U. gar nicht beteiligt (vgl. Schruff/Rothenburger, WPg 2002, S. 755 (756)). Der Investor vereint hingegen die Mehrheit bzw. die gesamte Kap.-Einlage, wobei ihm darüber hinaus die Mehrheit der Stimmrechte sowie das Recht zur Geschäftsführung zustehen.
 

Rn. 47

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Die Zielsetzungen der Errichtung einer Zweckgesellschaft liegen grds. in der Ausschöpfung bilanzpolitischer Spielräume mittels Verlagerung von VG und Schulden aus der Bilanz des Initiators in die Bilanz der Zweckgesellschaft. Die mit den ausgelagerten VG und Schulden verbundenen Aufwendungen belasten nicht mehr die GuV und die Veräußerung von VG an die Zweckgesellschaft ruft zudem eine Gewinnrealisierung hervor (vgl. z. B. BilMoG-HB (2009), Kap. XV, S. 377 (395)). Dies wiederum führt zu einer Verbesserung von (zentralen) Bilanzkennzahlen, wie z. B. der EK-Quote oder dem Verschuldungsgrad (vgl. Schruff/Rothenburger, WPg 2002, S. 755 (756)). Hierdurch reduzieren sich wiederum die Finanzierungskosten zum Erhalt eines verbesserten Ratings respektive erfüllen sich Analystenerwartungen (vgl. Küting/Gattung, KoR 2007, S. 397 (398)). Letztlich wird der Zugriff von Gläubigern des Initiators auf die in Frage stehenden VG regelmäßig vermieden und diese gegen Insolvenzrisiken abgeschirmt.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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