Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
Rn. 259
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG in § 248 Abs. 2 Satz 1 ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV verankert, nachdem zuvor im HGB ein Aktivierungsverbot bestand (vgl. HdR-E, HGB § 248, Rn. 17ff.). Das Wahlrecht ermöglicht es UN, selbst geschaffene immaterielle VG des AV zu aktivieren, womit ein erheblicher Dokumentationsaufwand einhergeht (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 7f.). Die Aktivierung von selbst geschaffenen Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten sowie ähnlichen Werten und Rechten ist gemäß § 248 Abs. 2 Satz 2 – analog zu IAS 38 – verboten.
Rn. 260
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Im Falle der Ausübung des Aktivierungswahlrechts richten sich die HK eines immateriellen VG nach § 255 Abs. 2a i. V. m. § 255 Abs. 2 (vgl. ausführlich HdR-E, HGB § 255, Rn. 388ff.). Als HK eines selbst geschaffenen VG gelten in speziell diesem Kontext die bei dessen Entwicklung jeweils anfallenden Aufwendungen (= Entwicklungskosten). Sie stellen daher die spezifischen HK selbst geschaffener immaterieller VG des AV dar.
Rn. 261
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Generell ist festzuhalten, dass im Normengefüge der IFRS eine Ausschüttungssperre nicht bekannt ist. Im Gegensatz zum deutschen Bilanzrecht ist somit die Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten nach IFRS nicht mit einer Ausschüttungssperre versehen. Weil selbst geschaffenen immateriellen Anlagegütern "nur schwer ein objektiver Wert" (BR-Drs. 344/08, S. 106) zugewiesen werden kann, muss im deutschen Bilanzrecht bei der Aktivierung solcher VG eine Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 Satz 1 ("Werden selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz ausgewiesen, so dürfen Gewinne nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens den insgesamt angesetzten Beträgen abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen.") gebildet werden. Die Problematik der Zuweisung eines objektiven Werts gründet in den Ermessensspielräumen, die mit der Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen VG verbunden sind: Neben der Trennung der Forschungs- von der Entwicklungsphase ist eine Entscheidung hinsichtlich des Aktivierungszeitpunkts innerhalb der Entwicklungsphase durch den Bilanzierenden vorzunehmen. Beide Entscheidungen haben eine Auswirkung auf die Höhe des Wertansatzes der selbst geschaffenen immateriellen VG. Indem die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller VG mit einer Ausschüttungssperre belegt wird, unterstreicht der deutsche Gesetzgeber die Problematik der objektiven Wertermittlung ebenso wie der begrenzten Nachvollziehbarkeit der Werthaltigkeit jenes Bilanzpostens.
Rn. 262
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Höhe der Ausschüttungssperre auf selbst geschaffene immaterielle VG des AV bezieht sich nicht auf den vollen Betrag der aktivierten VG, sondern bestimmt sich aus der Differenz zwischen dem Bilanzwert selbst geschaffener immaterieller VG und den darauf abgegrenzten passiven latenten Steuern. Denn nach § 5 Abs. 2 EStG ist die Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen WG des AV nicht zulässig, weshalb es auch auf die dadurch entstehende Wertdifferenz zwischen HB und StB passive latente Steuern (ergebnismindernd) abzugrenzen gilt.
Rn. 263
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Eine Saldierung eines aktivierten immateriellen VG mit den darauf gebildeten passiven latenten Steuern ist wegen der rein bilanzbezogenen Ermittlung der Höhe der Ausschüttungssperre systematisch korrekt, da die Bildung der passiven latenten Steuern in der GuV gerade zu einer teilweisen Kompensation der durch Aktivierung der Posten entstandenen Erträge führt. Hierauf wird im Kontext der Ausschüttungssperre für aktive latente Steuern zurückzukommen sein, die gemäß § 268 Abs. 8 Satz 2 expressis verbis nur auf den Aktivüberhang (aktive latente Steuern > passive latente Steuern) zu bilden ist. Denn dieser Wortlaut impliziert eine (unzulässige) doppelte Anrechnung gebildeter latenter Steuern auf die Höhe der Ausschüttungssperre für selbst geschaffene immaterielle VG des AV sowie diejenigen aktiven latenten Steuern, die die passiven latenten Steuern nicht überschreiten (vgl. dazu HdR-E, HGB § 268, Rn. 272f.).
Rn. 264
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Da die Höhe der Ausschüttungssperre von dem bilanziellen Buchwert der selbst geschaffenen immateriellen VG (abzgl. darauf gebildeter passiver latenter Steuern) abhängt, teilt die Ausschüttungssperre (wie die passiven latenten Steuern) das Schicksal der Wertentwicklung des betreffenden VG im Zeitablauf. Der Buchwert eines zeitlich begrenzt nutzbaren immateriellen VG wird durch planmäßige und außerplanmäßige AfA (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 1ff.) gemindert. Dementsprechend ist auch die Höhe der Ausschüttungssperre in den Folgeperioden anzupassen. VG, deren Nutzung zeitlich nicht begrenzt ist, sind lediglich außerplanmäßig bei dauerhaft...