Dr. Matthias Heiden, Dr. Christian F. Bosse
I. Buchführungspflicht der AG
1. Grundlagen
Rn. 4
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Die Buchführungspflicht ergibt sich für die AG als Kaufmann gemäß § 3 AktG i. V. m. § 6 Abs. 1 bereits aus den Vorschriften der §§ 238ff. Entsprechend verhält es sich für KGaA (vgl. § 278 Abs. 3 AktG) und dualistisch wie monistisch strukturierte SE (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) der SE-VO (EG) Nr. 2157/2001 vom 08.10.2001 (ABl. EG, L 294/1ff. vom 10.11.2001)). § 3 AktG bestimmt, dass die AG grds. als Handelsgesellschaft anzusehen ist. Das HGB ist somit stets und ohne Einschränkung zu beachten (vgl. Raiser/Veil (2015), § 4, Rn. 1). "Sie bezweckt Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle sowie Dokumentation der Geschäftsvorfälle und hat öffentlich-rechtlichen Charakter" (Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 2; vgl. auch Schäfer, wistra 1986, S. 200). An die Verpflichtung zur Führung der erforderlichen Handelsbücher schließt sich die Bilanzierungspflicht des § 242 an. Hieraus folgt auch, dass alle Aufzeichnungen, die zur JA-Erstellung dienen, ebenfalls zur Buchführung zu zählen sind.
Rn. 5
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
§ 91 Abs. 1 AktG legt das für die Buchführung zuständige Gesellschaftsorgan (vgl. auch § 22 Abs. 3 Satz 1 SEAG) fest und unterstreicht durch die erneute explizite Formulierung der Verpflichtung das öffentliche Interesse an einer ordnungsmäßigen Buchführung. Die Außenverpflichtung wird durch den Vorstand für die AG getragen, welcher der Gesellschaft gleichzeitig im Innenverhältnis organschaftlich verpflichtet ist.
Abs. 2 beinhaltet ebenfalls eine organschaftliche Verpflichtung im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis existiert jedoch keine Pflicht der AG zur Sicherung ihres eigenen Bestands, die ihrer Buchführungspflicht im Innenverhältnis entspräche (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 4).
Rn. 6
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Handelt es sich bei der AG um die Zweigniederlassung von Kaufleuten mit Sitz bzw. Hauptniederlassung im Ausland, unterliegt sie ebenfalls der Buchführungspflicht. Die Tatsache, dass sich der Sitz der Zweigniederlassung im Inland befindet, ist hierfür entscheidend, da für Zwecke der Buchführungspflicht der Kaufmannsbegriff in der Weise verwandt wird, dass die Adressaten der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung bezeichnet werden (vgl. ADS (2023), § 238, Rn. 19ff., m. w. N.). Eine Delegation der Buchführung an das ausländische UN ist nicht zulässig. "Gleiches gilt für ausländische Niederlassungen eines inländischen deutschen Unternehmens, da die §§ 238ff. HGB auf das Gesamtunternehmen anzuwenden sind" (Ballof (2001), Rn. 4876).
2. Erforderliche Handelsbücher
a) Allgemeines
Rn. 7
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Im Vergleich zu § 91 Abs. 1 AktG spricht § 41 GmbHG von einer ordnungsmäßigen Buchführung, deren Führung Aufgabe der Geschäftsführer ist. Ein inhaltlicher Unterschied kann hieraus nicht gefolgert werden, weshalb zur Auslegung des § 91 AktG auch auf die einschlägige Kommentarliteratur zu § 41 GmbHG in diesem Bereich verwiesen werden kann (vgl. ADS (1997), § 91 AktG, Rn. 1). In § 33 Abs. 1 Satz 1 GenG wurde eine analoge Formulierung zum AktG gewählt: "Der Vorstand hat dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Bücher der Genossenschaft ordnungsgemäß geführt werden."
Rn. 8
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Grds. sind unter der Bezeichnung der erforderlichen Handelsbücher alle Aufzeichnungen zu subsumieren, die – auch in Abhängigkeit von Eigenart, Tätigkeit und Größe des UN – verlangt werden. Welche Bücher im Einzelnen zu führen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Neben dem gewählten Buchführungssystem (vgl. HdR-E, AktG § 91, Rn. 19ff.) ist diese Frage unter Berücksichtigung der GoB zu entscheiden (vgl. auch Bilanz-HB (2015), Kap. A, Rn. 740ff.).
Rn. 9
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Terminologisch ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff "Bücher" nicht allein auf eine Buchform im Sinne gebundener Bücher abgestellt wird. Entscheidend ist vielmehr die Funktion der Eintragungen. Grundlegend wird regelmäßig zwischen Grundbüchern, Hauptbüchern und Nebenbüchern (Hilfsbüchern, Nebenbuchhaltungen) unterschieden (vgl. Ballof (2001), Rn. 4906; HdR-E, HGB § 238, Rn. 13ff.):
Buchform |
Eintragung |
Grundbuch (Journal, Tagebuch, Primanota) |
Erfassung der Geschäftsvorfälle in zeitlicher Ordnung (z. B. Wareneingangs- und Warenausgangsbücher, Kassenbücher, Bank- und Postscheckbücher) |
Hauptbuch |
Systematische Ordnung der Geschäftsvorfälle in sachlicher Hinsicht nach einem Kontenplan |
Nebenbücher |
Erfassung systematischer Buchhaltungsteilbereiche zwecks summenweiser systematischer Übertragung ins Hauptbuch (z. B. Anlagenbuchführung, Lohnbuchhaltung, Material- und Lagerbuchhaltung) |
Nicht zu den Handelsbüchern zählen das Tagebuch eines Handelsmaklers (vgl. § 100), das Aktienbuch der Gesellschaft (vgl. § 67 AktG) sowie das Baubuch eines Bauunternehmers ((vgl. § 2 BaufordG); vgl. Beck-HdR, D 20 (2011), Rn. 17ff.). Das Depotnummernbuch nach § 14 DepotG hingegen stellt ein Handelsbuch dar (vgl. Fischer-StGB (2024), § 283, Rn. 19a).
Neben die Regelungen des HGB für alle Kaufleute treten weitere gesetzliche Vorschriften, die im Einzelfall von einer AG zu beachten sin...