Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
aa) Grundlagen
Rn. 66
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
In die Kap.-Rücklage sind – simplifiziert formuliert – solche EK-Beträge einzustellen, die dem UN von außen zugeflossen sind. Einstellungen in diese Rücklage und deren Auflösung sind gemäß § 270 Abs. 1 bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen. Grds. wird die Kap.-Rücklage gebildet, ohne dass dieser Vorgang in der GuV erfasst wird. Es sei jedoch auf § 240 AktG verwiesen, wonach eine Einstellung in die Kap.-Rücklage nach § 229 Abs. 1 AktG und § 232 AktG in der GuV als "Einstellung in die Kapitalrücklage nach den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung" gesondert auszuweisen ist.
Bei den unter § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 aufgeführten Sachverhalten handelt es sich lediglich um Zuweisungsgründe; eine weitere Aufteilung des Postens "Kapitalrücklage" ist daher nicht erforderlich (vgl. so auch Selchert (1997), S. 536; Bonner-HdR (2019), § 272 HGB, Rn. 71; HB-RP (1995), § 272 HGB, Rn. 23; Baumbach/Hueck (2006), § 42 GmbHG, Rn. 203; HdJ, Abt. III/2 (2021), Rn. 260; a. A. WP-HB (2023), Rn. F 478, 494). Für diese Ansicht spricht u. a., dass der Gesetzgeber bei der "Kapitalrücklage" den Singular verwendet, während er bei den "Gewinnrücklagen" im Plural spricht. Fernerhin hätte der Gesetzgeber in § 266 eine weitere Unterteilung des Postens "Kapitalrücklage" vornehmen oder aber in § 272 bestimmte Unterkategorien bzw. gesonderte Vermerke fordern können. Gegen eine freiwillige Untergliederung dieses Postens oder entsprechende Anhangangaben bestehen jedoch keine Bedenken.
Rn. 67
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Auch kann bei einer AG/KGaA/SE keine zwingende weitere Unterteilung der Kap.-Rücklage gefordert werden, obwohl in § 150 Abs. 2 AktG die Zuführungsgründe gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 besonders zusammengefasst sind. Hierbei handelt es sich um eine Vorschrift zur Dotierung der gesetzlichen Rücklage und nicht zum gesonderten Ausweis der einzelnen Sachverhalte nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 (vgl. indes auch Bonner-HdR (2019), § 272 HGB, Rn. 71, ebenso wie ADS (2024), § 272, Rn. 214, die jeweils ebenfalls mit Hinweis auf § 150 Abs. 2 AktG einen getrennten Ausweis oder alternativ entsprechende Anhangangaben ausdrücklich für zulässig erachten und empfehlen). Ebenso wenig lässt sich aus dem Gesetz ein gesonderter Ausweis der Zuführungsbeträge gemäß den §§ 218 Satz 2, 231 Abs. 1 Satz 1, 232 und 237 Abs. 5 AktG ableiten.
Werden bei einer GmbH unter den Forderungen "Eingeforderte Nachschüsse" ausgewiesen, ist ein diesem Aktivposten entsprechender Betrag auf der Passivseite im Posten "Kapitalrücklage" gesondert auszuweisen (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG). Im Gegensatz zu den obigen Sachverhalten wird hier der gesonderte Ausweis explizit gefordert.
bb) Beträge, die bei der Ausgabe von Anteilen einschließlich von Bezugsanteilen über den (rechnerischen) Nennwert hinaus erzielt werden (§ 272 Abs. 2 Nr. 1)
Rn. 68
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Dieses – auch als sog. korporatives Agio bezeichnete – Aufgeld umfasst den gesamten Erlös aus der Ausgabe von Anteilen, der den Nennbetrag dieser Anteile übersteigt.
Das Aufgeld ist ungekürzt der Kap.-Rücklage zuzuführen, eine Verrechnung mit angefallenen Ausgabekosten (z. B. Notar- und Gerichtskosten, Prüfungsgebühren, Steuern etc.) ist – anders als im Kontext der internationalen RL – unzulässig; diese Kosten sind vielmehr im Jahr der Ausgabe betreffender Anteile erfolgswirksam zu erfassen.
Nicht zum (korporativen) Agio gehören grds. freiwillige Leistungen der Gesellschafter in Form von Zuzahlungen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 98ff.) sowie solche Beträge, die die Erwerber der Anteile an Dritte leisten. Diesbezüglich ist indes speziell im Kontext von (Neu-)Gründungen und/oder Kap.-Erhöhungen bilanz- wie gesellschaftsrechtlich umstritten, ob und inwieweit (auch) ein sog. (unechtes) schuldrechtliches Agio der Kap.-Rücklage i. S. d. § 272 Abs. 2 Nr. 1 zugeführt werden darf oder gar muss. Gegenstand einer möglichen Zuzahlung gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 ist eine schuldrechtlich vereinbarte Zahlung der Differenz zwischen dem Ausgabebetrag neu ausgegebener Anteile und dem Emissionspreis (Barkap.-Erhöhung) respektive Einbringungswert betreffender Sacheinlage (Sachkap.-Erhöhung). Im Ausgangspunkt ist unstreitig, dass gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 "Andere Zuzahlungen" in das EK grds. zulässig sind (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 102ff.). Streitig ist jedoch, ob eine Leistung an die Gesellschaft auch dann als Zuzahlung nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 bilanziert werden darf, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit einer Kap.-Erhöhung steht, mithin wirtschaftlich eine Gegenleistung für die ausgegebenen Aktien darstellt, oder sie in letzterem Fall in Übereinstimmung mit § 272 Abs. 2 Nr. 1 bilanziert werden muss. Bejaht man die gesellschaftsrechtlich zu beantwortende (Vor-)Frage, dass solche schuldrechtlichen Zuzahlungen i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 1 durch die Anteilsausgabe "erzielt" werden, gehören die entsprechenden Beträge in die Kap.-Rücklage nach Nr. 1 und unterliegen damit den Verfügungsbeschränkungen des § 150 Abs. 3f. AktG (vgl. bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Ausgabe von Anteilen MünchKomm. BilR (2013/II), § 272 HGB, ...