Dr. Alfred Simlacher, Dr. Stephan Vossel
Rn. 500
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Vermögenübergang stellt beim übernehmenden Rechtsträger einen Anschaffungsvorgang dar (vgl. IDW RS HFA 42 (2012), Rn. 3; Oser, StuB 2021, S. 717 (718)), der zu (echten) AK zu bewerten ist. Diese sind in Abhängigkeit von der Art der Gegenleistung für das erlangte Vermögen (Ausgabe neuer Anteile respektive Hingabe eigener Anteile des übernehmenden Rechtsträgers; Untergang der Anteile am übertragenden Rechtsträger) zu ermitteln und in einem nächsten Schritt auf die angeschafften VG, Schulden und RAP zu verteilen. In der Schlussbilanz angesetzte aktive und passive latente Steuern sind nicht Bestandteil des Vermögenstransfers und können daher auch nicht als Teil des übernommenen Vermögens angesetzt werden, da es sich um Sonderposten eigener Art handelt, die nicht Gegenstand eines (entgeltlichen) Anschaffungsgeschäfts sein können. Der übernehmende Rechtsträger hat in einem gesonderten Vorgang neu zu prüfen, ob aktive latente Steuern angesetzt werden können bzw. passive latente Steuern angesetzt werden müssen (vgl. IDW RS HFA 42 (2012), Rn. 39; Schmitt/Hörtnagl/Stratz (2024), § 24 UmwG, Rn. 25). Ergibt sich nach Berücksichtigung von angesetzten latenten Steuern ein aktiver Unterschiedsbetrag, ist dieser als derivativer GoF anzusetzen. Ein in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers angesetzter originärer GoF geht in diesem auf (vgl. Oser, StuB 2021, S. 767 (770)). Da dieser GoF mit einer latenten Steuer zu belegen ist, verändert sich die Höhe der anzusetzenden Steuern und infolgedessen erneut die Höhe des GoF (vgl. zur Lösung dieses Zirkelschlusses HdR-E, HGB § 274, Rn. 252). Die skizzierte Vorgehensweise der erfolgsneutralen Erfassung der latenten Steuern gegen den derivativen GoF bzw. im EK stellt mithin die erfolgsneutrale Anschaffung des übernommenen Vermögens sowie der korrespondierenden latenten Steuern sicher.
Rn. 501
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Verbessert sich infolge der Verschmelzung die Werthaltigkeit von zum Zeitpunkt der Verschmelzung bereits vorhandenen Verlust- und Zinsvorträgen des übernehmenden Rechtsträgers, so kann er dafür aktive latente Steuern erstmals bilden oder erhöhen. Da diese Vermögensvorteile nicht Gegenstand des verschmelzungsbedingten Anschaffungsvorgangs sind, hat eine erfolgswirksame Erfassung der latenten Steuern zu erfolgen (vgl. Oser, StuB 2021, S. 767 (770)).
Rn. 502
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Als Alternative zur Bewertung zu (echten) AK eröffnet § 24 UmwG das Wahlrecht, das übernommene Vermögen dem Grunde und der Höhe nach mit den Buchwerten des übertragenden Rechtsträgers zu bewerten (Buchwertverknüpfung). Da der Charakter des Rechtsgeschäfts, eine entgeltliche Anschaffung, davon unberührt bleibt, liegen fiktive AK vor. Die Anwendung dieser Bewertungsoption führt – von Ausnahmen abgesehen – zu einem Verschmelzungsgewinn oder -verlust, der als solcher in der GuV auszuweisen ist. Im Mittelpunkt steht das "zu übertragende" Vermögen, wie es der übertragende Rechtsträger durch seine Ansatz- und Bewertungsentscheidungen in der Schlussbilanz determiniert hat. Es stellt zugleich das zugehende Vermögen des übernehmenden Rechtsträgers dar. Das gesamte in der Schlussbilanz bilanzierte Vermögen, bestehend aus angesetzten VG, Schulden und RAP, wird vom übernehmenden Rechtsträger übernommen, alles nicht Angesetzte wird auch im Zuge des Vermögenstransfers nicht angesetzt.
Rn. 503
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Abweichend davon gelten für latente Steuern – losgelöst von der Schlussbilanz – Besonderheiten. Nach h. M. im Schrifttum handelt es sich um keine VG und Schulden (vgl. Bilitewski/Ross/Weiser, WPg 2014, S. 73 (79)), so dass diese nicht als Teil des übergehenden Vermögens übernommen werden können. Vielmehr sind diese nach den steuerlichen Verhältnissen des übernehmenden Rechtsträgers (neu) zu bilanzieren und (neu) zu bewerten (vgl. IDW RS HFA 42 (2012), Rn. 61). Eine solche Vorgehensweise wirkt auf das in der GuV ausgewiesene Verschmelzungs- und Steuerergebnis. Sind bspw. passive latente Steuern der Schlussbilanz nicht als Teil des übernommenen Vermögens in der Übernahmebilanzierung anzusetzen, erhöhen diese das Verschmelzungsergebnis beim übernehmenden Rechtsträger. Gleichzeitig erhöht die (Neu-)Bildung der passiven latenten Steuern den latenten Steueraufwand in der GuV, ohne dabei einen Bezug zum Entstehen oder zur Veränderung einer zu versteuernden temporären Differenz zu haben.
Rn. 504
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Eine andere Auffassung kritisiert diese Vorgehensweise (vgl. Simlacher (2013), S. 160f.) und erachtet die Buchwertmethode als ein besonderes Ansatz- und Bewertungsprinzip. Nach dieser Auffassung stehen die Regelungen des § 24 UmwG nicht im Einklang mit den allg. Grundsätzen zur Abbildung eines (erfolgsneutralen) Anschaffungsvorgangs. Als Erleichterungsvorschrift konzipiert, soll in der handelsbilanziellen Übernahmebilanzierung das in der Schlussbilanz ausgewiesene Vermögen in seiner Gesamtheit übernommen und angesetzt werden – unabhängig davo...