Dr. Karl Petersen, Prof. Dr. Christian Zwirner
Rn. 5
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die gesetzliche Erklärung dessen, was unter einem Netzwerk i. S. d. § 319b zu verstehen ist, findet sich in § 319b Abs. 1 Satz 3. Ausweislich des Gesetzeswortlauts liegt ein Netzwerk dann vor, "wenn Personen bei ihrer Berufsausübung zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen für eine gewisse Dauer zusammenwirken" (§ 319b Abs. 1 Satz 3; vgl. zur Definition ausführlich auch Bonner-HdR (2015), § 319b HGB, Rn. 7ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 6ff.; BilR-HB (2018), § 319b HGB, Rn. 7ff.; Schüppen (2022), § 319b HGB, Rn. 3ff.).
Rn. 6
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Im Vergleich zu den EU-Vorgaben ist diese Definition wesentlich allgemeingültiger formuliert, denn in der AP-RL (2006) wird das Netzwerk beschrieben als eine breite Struktur, die auf "Kooperation ausgerichtet ist und [...] die eindeutig auf Gewinn- oder Kostenteilung abzielt oder durch gemeinsames Eigentum, gemeinsame Kontrolle oder gemeinsame Geschäftsführung, gemeinsame Qualitätssicherungsmaßnahmen und -verfahren, eine gemeinsame Geschäftsstrategie, die Verwendung einer gemeinsamen Marke oder durch einen wesentlichen Teil gemeinsamer fachlicher Ressourcen miteinander verbunden ist" (Art. 2 Nr. 7 der AP-R (2006), ABl. EU, L 157/92 vom 09.06.2006; vgl. auch BilR-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 3; Bonner HGB-Komm. (2015), § 319b, Rn. 16). Auch wenn die einzelnen Kriterien nicht wörtlich in das HGB übernommen wurden, so ändert die gewählte Zusammenfassung nach Ansicht der Bundesregierung deren Gehalt nicht ab (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 197). Der deutsche Gesetzestext ist folglich dahingehend zu interpretieren, dass das Vorliegen eines Netzwerks von der Art des Zusammenwirkens der Netzwerkmitglieder abhängig ist. Die rechtliche Ausgestaltung des Netzwerks ist dabei unerheblich (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 197; sodann auch BilR-HB (2018), § 319b HGB, Rn. 10; BilR-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 5ff.). Hiermit soll die Umgehung eines Netzwerks durch rechtliche Gestaltungen verhindert werden (vgl. Bonner HGB-Komm. (2015), § 319b, Rn. 21ff.). Zentrales Merkmal neben der bewussten und gewollten Zusammenwirkung für eine gewisse Zeitdauer ist die Tatsache, dass einem Netzwerk i. S. v. § 319b das Verfolgen gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen zugrunde liegen muss. Ein Netzwerk liegt dann bereits ab dem Beginn des Zusammenwirkens zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen vor. Allerdings sollte bei der Auslegung dieser gesetzlichen Netzwerkdefinition stets die in der RegB enthaltene Grundfrage bedacht werden, ob der Sachverhalt tatsächlich bei einem objektiven, verständigen und informierten Dritten die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Mit der Berücksichtigung dieses Leitgedankens "besteht die Chance, dass das Netzwerk für den mittelständischen Abschlussprüfer kein Gefängnis darstellt, sondern dass ihm die Mitgliedschaft neue Wege eröffnet" (Neu, DB 2008, Heft 49, S. I). Dieser Aspekt ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung. In der heutigen Zeit, in der die Geschäftsmodelle nahezu aller UN vom globalen Umfeld der Weltwirtschaft geprägt sind, ist es unerlässlich für einen (mittelständischen) AP bzw. eine WPG, sich mit Berufskollegen international zu vernetzen. In einem solchen Fall kann es dann aber gerade nicht gewollt sein, dass bspw. eine deutsche WPG aufgrund ihrer Netzwerkzugehörigkeit von der Übernahme eines AP-Mandats ausgeschlossen ist, weil eine andere Netzwerkgesellschaft bei einem anderen in den KA einbezogenen ausländischen UN eine Dienstleistung erbringt, die zwar grds. zum Ausschluss führen würde, aber aus Sicht des Gesamtkonzerns und seiner RL unbeachtlich und insoweit unwesentlich im Hinblick auf die Auswirkungen der Dienstleistung auf den Prüfungsgegenstand ist.
Rn. 7
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die Annahme eines Netzwerks ist demnach nicht erfüllt, wenn das Zusammenwirken nur einmalig oder gelegentlich erfolgt und keine gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen verfolgt werden. Aus der Durchführung von Gemeinschaftsprüfungen, der gemeinschaftlichen Erstellung betriebswirtschaftlicher Gutachten oder gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen alleine entsteht bspw. kein Netzwerk i. S. d. § 319b (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 198). Daher kommt auch die Mitgliedschaft in Berufsverbänden o. Ä. nicht als solches Netzwerk in Betracht, da diese die Berufsausübung lediglich flankieren. Personen, die bei ihrer Berufsausübung zusammenwirken, können sowohl juristische als auch natürliche Personen sein, darüber hinaus sind auch teilrechtsfähige Personenvereinigungen diesem Begriff zu subsumieren.
Rn. 8
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nachstehende Übersicht stellt die wichtigsten Netzwerkmerkmale, die sich aus der Außendarstellung, d. h. dem Außenauftritt des Zusammenschlusses, ergeben, zusammen (vgl. zur Abgrenzung WPK (2021); des Weiteren etwa auch BilR-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 10; Bonner HGB-Komm. (2015), § 319b, Rn. 23ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 6ff.; ausführlich ferner Bonner-HdR (2015), § ...