Prof. Dr. Eberhard Kalbfleisch, Prof. Dr. Sascha Mölls
Rn. 22
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Für den Fall, dass in dem JA der AG, KGaA oder SE ein Bilanzposten unterbewertet worden ist, ist dieser nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG nur dann nichtig, wenn die zusätzliche Voraussetzung erfüllt ist, dass dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Eine Unterbewertung liegt gemäß § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG grds. dann vor, wenn Aktivposten mit einem niedrigeren Wert oder Passivposten mit einem höheren Wert angesetzt werden, als es nach den §§ 253 bis 256a zulässig ist. Unterbliebene, aber gebotene Aktivierungen sind ebenfalls als Unterbewertungen zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1993, II ZR 235/92, BGHZ 124, S. 111 (119); Hüffer-AktG (2022), § 256, Rn. 26, m. w. N.).
Aber auch, wenn ein Aktivposten nicht nur zu niedrig bewertet, sondern trotz Aktivierungspflicht überhaupt nicht angesetzt wurde, ist ein Fall der Unterbewertung gegeben. Dies kann insbesondere bei Ansprüchen zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, da der Zeitpunkt der Aktivierungspflicht nicht immer ohne Weiteres bestimmt werden kann. Ein Anspruch ist nach GoB i. d. R. erst zu aktivieren, wenn er realisiert ist. Dementsprechend wird die Pflicht zur Aktivierung von Schadensersatzansprüchen durch das aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 folgende Gebot der Vorsicht eingeschränkt (vgl. Kropff, ZGR 1994, S. 628 (636)). Auch die Ansprüche auf Gewinnausschüttungen in Konzernverhältnissen sind grds. erst dann ausreichend konkretisiert, wenn das TU die Gewinnausschüttung beschlossen hat, die Erträge also konkret zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1975, II ZR 67/73, BGHZ 65, S. 230 (235f.); BGH, Urteil vom 12.01.1998, II ZR 82/93, BGHZ 137, S. 378 (381); im Einzelnen HdR-E, HGB § 275, Rn. 78ff.). Dagegen liegt eine ausreichende Konkretisierung und damit eine regelmäßige Aktivierungspflicht bei Konzern-UN immer dann vor, wenn GAV abgeschlossen wurden.
Rn. 23
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Der Ausweis von Beteiligungserträgen erfolgt damit grds. phasenverschoben, nach ständiger Rspr. des BGH ist aber eine sog. phasengleiche Bilanzierung ausnahmsweise zulässig, wenn eine KapG als Alleingesellschafterin an einer anderen KapG mit dem gleichen GJ beteiligt ist, der JA bei dem TU zeitlich vor dem des MU festgestellt wird und bei Erstellung des JA des MU ein Gewinnverwendungsvorschlag bei betreffendem TU bereits vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1975, II ZR 67/73, BGHZ 65, S. 230 (237); BGH, Urteil vom 12.01.1998, II ZR 82/93, BGHZ 137, S. 378 (382); Herzig/Rieck, IStR 1998, S. 309ff.; Küting, DStR 1996, S. 1947 (1948)). Ob bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen phasengleichen Dividendenausweis ein handelsrechtliches Ansatzwahlrecht oder Aktivierungsgebot vorliegt, ist indes umstritten. Während der BGH diese Frage zunächst (vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1975, II ZR 67/73, BGHZ 65, S. 230 (235f.)) noch offenlassen konnte, geht er nunmehr (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1998, II ZR 82/93, BGHZ 137, S. 378 (381)) von einer Ansatzpflicht aus (vgl. ebenso Küting, DStR 1996, S. 1947f.; a. A. Herzig/Rieck, IStR 1998, S. 309 (311), mit umfassenden Nachweisen zum Streitstand). Dies ist insoweit zu bedauern, als der BFH in seiner jüngsten Rspr. zur StB die Auffassung des BGH nicht mehr teilt (vgl. BFH, Beschluss vom 07.08.2000, GrS 2/99, DB 2000, S. 1993ff., mit Anmerkungen von Groh, DB 2000, S. 2444ff., und Hoffmann/Groh, DB 2000, S. 2557f.). Danach ist eine phasengleiche Bilanzierung für steuerliche Zwecke nur anzuerkennen, wenn zum BilSt bereits der ausschüttungsfähige Mindestbetrag des Bilanzgewinns bekannt ist und eine konkrete Gewinnverwendungsabsicht der Gesellschafter des TU objektiv nachgewiesen werden kann, was in den seltensten Fällen vorliegen dürfte.
Rn. 24
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Für Verstöße gegen Ansatzvorschriften sowie die Möglichkeit der Kompensation gilt dasselbe wie für Überbewertungen des JA (vgl. HdR-E, AktG § 256, Rn. 19ff.).
Rn. 25
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Zusätzliche Voraussetzung für die Anwendung des § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG ist, dass die Unterbewertung eines Bilanzpostens zur unrichtigen Wiedergabe oder Verschleierung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft führt. Dabei müssen diese Voraussetzungen nicht kumulativ aufeinandertreffen. Es reicht aus, wenn entweder eine unrichtige Wiedergabe oder eine Verschleierung der Vermögens- oder der Ertragslage festgestellt werden kann (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 256, Rn. 61). Außerdem ist erforderlich, dass die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung vorsätzlich erfolgt, wobei bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1993, II ZR 235/92, BGHZ 124, S. 111 (120); Kropff, ZGR 1994, S. 628 (639)). Der Vorsatz muss sich auf die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der bilanziellen Lage des UN beziehen. Die an der Feststellung des JA beteiligten Organmitglieder müssen die falsche Bilanzierung in dem Bewusstsein der unrichtigen Wiedergabe bzw. Verschleierung der Vermögens- oder Ertragsl...