Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rn. 86
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Als zweiten Teilbereich regelt § 271 in Abs. 2 den Tatbestand verbundener UN, wodurch – abseits der Verbundkonzeption der §§ 15ff. AktG – eine zweite Verbundkonzeption geschaffen wird. Der Terminus "verbundene UN" findet in den einzelgesellschaftlichen RL-Vorschriften neben den Gliederungsvorschriften (vgl. §§ 266, 275) auch in den §§ 268, 285 (explizit) Berücksichtigung (vgl. im Übrigen HdR-E, HGB § 271, Rn. 97ff.).
I. Grundlagen
1. Zweck der Offenlegung von Verbundbeziehungen
Rn. 87
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
An einem Bild festzuhalten, welches das völlig isolierte Handeln eines UN in seinem wirtschaftlichen Umfeld zeichnet, würde der ökonomischen Realität vollkommen widersprechen. Aufgrund der zahlreichen wirtschaftlichen Verflechtungen von UN, wie sie in der Praxis die Regel sind, kann das eigentliche Interesse des UN durch den Willen anderer Gesellschafter (mit Einfluss auf die Gestaltung von Geschäftsprozessen) substituiert werden. Ebenso sind in unzähligen UN an die Stelle vieler kleiner Anteilseigner ein oder wenige Großanteilseigner getreten, infolgedessen sich das Gewicht der einzelnen UN-Organe erheblich verschoben hat (vgl. diesbezüglich insbesondere Havermann, WPg 1966, S. 30ff.). Der AR, vom Gesetzgeber ursprünglich als Kontrollinstanz gedacht, ist vielfach ein Ausführungsorgan des Großanteilseigners geworden und der als Entscheidungsorgan konzipierte Vorstand erhält Anweisungen von Stellen, die außerhalb des UN liegen. Ziel der Vorschriften für "verbundene UN" ist es, die "negativen Konsequenzen, die daraus den Aktionären und Gläubigern der beteiligten Gesellschaften sowie der interessierten Öffentlichkeit entstehen können, soweit wie möglich zu vermindern" (von Wysocki/Wohlgemuth (1986), S. 1).
Im Einzelnen nennt Wöhe ((1996), S. 421) nachfolgende Zielsetzungen, die der Gesetzgeber mit den Pflichten verfolgt, die er den in bestimmten UN-Verbindungen stehenden UN auferlegt:
(1) |
Offenlegung der UN-Verbindung; |
(2) |
Schutz der Gesellschafter und Gläubiger; |
(3) |
Sicherung gegen etwaige Benachteiligungen durch den beherrschenden Einfluss eines anderen UN. |
Rn. 88
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
"Verbundene Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, die wirtschaftlich in unterschiedlich starkem Maße miteinander verbunden sind" (Havermann, WPg 1966, S. 30); rechtlich unselbständige Zweigstellen, Niederlassungen oder Filialen erfüllen somit nicht den Tatbestand eines "verbundenen UN". Die wirtschaftliche Verbindung kann dabei auf der Grundlage der Verbundkonzeption des AktG von einer mehr als 25 %-igen wechselseitigen Beteiligung als loseste Form "verbundener UN" bis hin zu einer Eingliederung eines UN (vgl. §§ 319ff. AktG) als jene Form "verbundener UN" mit der stärksten Bindungsintensität reichen. Diese unterschiedliche Schärfe oder Strenge von UN-Verbindungen erklärt, warum der Gesetzgeber neben Vorschriften, die für alle "verbundenen UN" gemeinsam gelten, auch artenspezifische Regelungen getroffen hat (vgl. so auch WP-HB (2012/I), Rn. T 1).
2. Verhältnis von Beteiligungen und verbundenen Unternehmen
Rn. 89
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Beteiligungen sind dazu bestimmt, dem eigenen "Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung [...] zu dienen" (§ 271 Abs. 1 Satz 1). "Verbundene UN" i. S. d. HGB sind – simplifiziert formuliert – Konzern-UN. Diese sind wiederum dadurch charakterisiert, dass ein beherrschender Einfluss (vgl. § 290) ausgeübt werden kann. "Verbundene UN" i. S. d. HGB stellen insoweit faktisch eine Teilmenge der Beteiligungen i. S. v. § 271 Abs. 1 dar; denn die Intensität der Einflussnahme ist bei einem "verbundenen UN" höher als bei einer bloßen Beteiligung. Überdies geht in praxi ein "verbundenes UN" nahezu immer mit einer Beteiligung einher.
§ 265 Abs. 3 schreibt Angaben oder Erläuterungen bei einer Mitzugehörigkeit zu anderen Posten vor, sofern ein Bilanzposten unter mehrere Posten fällt. Obgleich dieser Fall im obigen Sachverhalt vorliegt, ist hier bezüglich der Mitzugehörigkeit keine Angabe erforderlich. Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber bei einer Teilmenge gerade den Sonderausweis der Gesamtmenge verlangt (vgl. HdR-E, HGB § 271, Rn. 71ff.). Es handelt sich bei § 271 Abs. 2 um eine Spezialvorschrift, die insofern Vorrang genießt, als in diesem Sonderausweis der "grundlegende[.] Gliederungsaspekt[.] stärker zum Ausdruck kommt" (ADS (1997), § 265, Rn. 42). Im Übrigen ergäbe der Mehrfachausweis in diesem Fall keinen Sinn und wird auch in der Bilanzierungspraxis nicht vorgenommen.
3. Parallele Anwendung unterschiedlicher Verbundkonzeptionen
Rn. 90
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Mit der Änderung des HGB durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355ff.) hatte der Gesetzgeber neben den Vorschriften der §§ 15ff. AktG erstmals eine weitere Begriffsbestimmung "verbundener UN" in § 271 Abs. 2 etabliert, die sich auch in der aktuellen Fassung in Gestalt des sog. Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen sowie zur Änderung des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes un...