Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 43
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die konkrete Anwendung gestaltet sich trotz des überzeugenden Grundkonzepts vielfach schwierig. Beurteilungsprobleme ergeben sich v.a. dort, wo es an einem Marktäquivalent für die verbundinterne Leistung fehlt (vgl. HdKf (1998), § 29, Rn. 16; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 65). Die Rekonstruktion des Markts innerhalb des UN-Verbunds stößt hier an innere und äußere Grenzen (vgl. allg. Neus, DBW 1997, S. 38ff.). Zur Problembewältigung haben sich in der Praxis drei Standardmethoden herausgebildet (vgl. dazu ausführlich HdKf (1998), § 28, Rn. 41ff.; HdKf (1998), § 29, Rn. 17ff.; Boos/Rehkugler/Tucha, DB 2000, S. 2389 (2390ff.)):
Rn. 44
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Eine ebenso einleuchtende wie elegante Methode liegt darin, Marktpreise als Maßstab für die verbundinternen Leistungen heranzuziehen ((Preisvergleichsmethode); vgl. dazu HdKf (1998), § 28, Rn. 41ff.; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 55; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 31). Eindeutig fixierte Preise lassen sich allerdings nur auf börsenmäßig organisierten Märkten nachweisen; häufig wird man mit diesem Maßstab nur Näherungsgrößen ermitteln können, die mit der Marktstruktur und Marktphase mehr oder minder stark schwanken. Bei der Heranziehung von Vergleichspreisen ist deshalb mit großer Sorgfalt auf die Vergleichbarkeit der Marktbedingungen und der Handelsstufe zu achten. Zuschläge und Abschläge von einem Basispreis, wie sie aus der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht bekannt sind (vgl. Emmerich/Lange (2021), § 26, Rn. 75), müssen außerdem für Qualitätsunterschiede der Hauptleistung und den gesamten Nebenleistungswettbewerb vorgenommen werden (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 31). Darüber hinaus kann die besondere Situation der beteiligten Gesellschaften Abweichungen vom Konkurrenzpreis rechtfertigen: Unausgelastete Kapazitäten, Liquiditätsschwierigkeiten oder hohe Lagerbestände drücken die kurzfristige Preisuntergrenze u. U. unter das Marktniveau (vgl. HdKf (1998), § 29, Rn. 18).
Rn. 45
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Bei herrschenden und abhängigen UN mit aufeinander abgestimmten Fertigungs- und Absatzprogrammen, die sich untereinander mit Teil- und Halbfabrikaten beliefern, lassen sich häufig keine Marktpreise für die Zwischenlieferungen ermitteln. Hier kommt die Wiederverkaufspreismethode – auch Absatzpreisverfahren genannt – in Betracht, die den angemessenen Verrechnungspreis retrograd ermittelt: Von dem Endverkaufspreis sind angemessene Handelsspannen des konzerngebundenen Wiederverkäufers abzuziehen (vgl. KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 56; näher HdKf (1998), § 28, Rn. 45ff.).
Rn. 46
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Liegen vergleichbare Marktpreise nicht vor und ist auch die Anwendung der Absatzpreismethode nicht praktikabel, so kommt als Kontrollmaßstab nur die Kostenaufschlagsmethode (vgl. hierzu HdKf (1998), § 28, Rn. 49ff.; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 66) in Betracht. Sie hat ihren Ausgangspunkt in den Selbstkosten der bereitgestellten Ware oder Dienstleistung. Zu diesen Selbstkosten wird ein angemessener Kostenaufschlag hinzugerechnet, zu dessen Ableitung ein innerer oder äußerer Betriebsvergleich zur Verfügung steht. Als wesentliche Bestimmungsfaktoren für die angemessene Höhe des Kostenaufschlags gelten insbesondere die Marktverhältnisse und die Art des Produkts oder der Dienstleistung.