Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 38
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Es können nur Schulden passiviert werden, die am BilSt bestanden haben. Demnach muss also ein Erfüllungsrückstand vorliegen. Dazu kann die Verbindl. rechtl. bereits entstanden sein, sie muss es aber nicht. Es reicht aus, wenn – wirtschaftlich gesehen – die Verursachung der später rechtl. wirksam entstehenden Verbindl. vor dem BilSt liegt. Dieses v. a. von der dynamischen Bilanztheorie entwickelte Verursachungsprinzip soll sicherstellen, dass die Verbindl. dem GJ zugeordnet wird, in dem die Ursache gelegt wurde, d. h. die Tatsachen eingetreten sind, die später die Ausgaben auslösen werden. Mit der Frage nach der wirtschaftlichen Verursachung wird zugleich der Passivierungszeitpunkt für eine entstehende Verpflichtung festgelegt. Ist die wirtschaftliche Verursachung nicht zu bejahen, so kann eine Rückstellung an dem betr. BilSt nicht gebildet werden. Dies kann so weit gehen, dass eine Rückstellung bis zum tatsächlichen Anfall der Aufwendungen nicht in Betracht kommt (bzw. erst bei einem Erfüllungsrückstand nach dem tatsächlichen Entstehen der Verpflichtung).
Rn. 39
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Der Begriff der wirtschaftlichen Verursachung wird unterschiedlich verstanden. Der BFH legt den Begriff der wirtschaftlichen Verursachung eng aus. Der Tatbestand der Verpflichtung müsse in dem betr. WJ "i. W." verwirklicht und die Verbindl. damit eng mit dem betrieblichen Geschehen dieses WJ verknüpft sein. Das zivilrechtl. Entstehen der Verbindl. dürfe nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängen. Die Ereignisse, die zum Entstehen der Verpflichtung führen, müssen damit dem abgelaufenen GJ zuzuordnen sein.
Dem steht die Auslegung des Begriffs "wirtschaftliche Verursachung" nach dem Realisationsprinzip gegenüber, wonach die Erfüllung der jeweiligen Verpflichtung nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten muss. Diese Abgrenzung stellt – unter Hinweis auf Moxter (A. 1993, S. 89) – darauf ab, ob die zurückzustellenden Aufwendungen mit bereits realisierten Erträgen oder mit zukünftigen Gewinnchancen zusammenhängen. Der BFH hatte sich vorübergehend teilw. auf den Realisationsgedanken gestützt, ihn allerdings nicht als selbstständiges Kriterium übernommen, sondern nur im Rahmen seiner Abgrenzungsmethodik (Verwirklichung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale) herangezogen. Beide Auffassungen kamen in Teilbereichen zu unterschiedlichen Ergebnissen (vgl. Mayer-Wegelin, E. 1995, S. 1241; Kessler, H. 1996a, S. 1430; Weber-Grellet, H. 1996, S. 896). Der I. Senat stellte aber mit Urt. v. 27.06.2001 (DB 2001, S. 1698) klar: Es gebe weder einen handelsrechtl. Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung, wonach Einnahmen in eine spätere Zeit zu verlagern sind, in welcher die Kosten anfallen, noch einen solchen, wonach Ausgaben in das Jahr zu verlagern sind, in welchem die zugehörigen Einnahmen zufließen (ebenso Urt. v. 30.01.2002, DB 2002, S. 1636). Eine Anwendung des Verursachungsprinzips im betriebswirts. Sinn lehnt der BFH ausdrücklich ab. Mit dem BFH-Urt. v. 30.11.2005 (DB 2006, S. 532) hat der BFH bekräftigt, dass die wirtschaftliche Verursachung vorliegt, wenn die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale am BilSt erfüllt sind und das rechtl. Entstehen der Verbindl. nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgblich ist dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls vor dem Hintergrund der rechtl. Struktur des noch zu erfüllenden Tatbestands.
Nicht zulässig sind danach Rückstellungen für die Kosten der Überholung von Luftfahrtgeräten (vgl. BFH-Urt. v. 19.05.1987, BStBl. II 1987, S. 848ff.), die Kosten der Nachzulassung von Arzneimitteln (vgl. BFH-Urt. v. 25.08.1989, BStBl. II 1989, S. 893f. und v. 28.05.1997, DStRE 1998, S. 37), für zukünftige Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein (vgl. BFH-Urt. v. 13.11.1991, BStBl. II 1992, S. 336ff.), Aufwendungen für Uferschutz und Entschlammung bei einem Flusswasserkraftwerk (vgl. BFH-Urt. v. 12.12.1991, BStBl. II 1992, S. 600ff.), für künftige Prozesskosten (vgl. BFH-Urt. v. 06.12.1995, BStBl. II 1996, S. 406) und für Lagerkostenabgaben, die erst beim Absatz des hergestellten Zuckers anfallen (vgl. BFH-Urt. v. 13.05.1998, DStRE 1999, S. 5). In diesen Fällen liege die Erfüllung der zukünftigen Verpflichtung nicht in der Vergangenheit begründet, sondern hänge mit dem Betrieb in der Zukunft zusammen bzw. ermögliche diesen erst. Andererseits sind die Kosten früheren Erträgen zuzuordnen, so dass folgende Rückstellungen zulässig sind: für eine Beitragsrückerstattung (vgl. BFH-Urt. v. 28.06.1989, BStBl. II 1990, S. 550ff.), für am BilSt ausstehende Bufü-Arbeiten (vgl. BFH-Urt. v. 25.03.1992, BStBl. II 1992, S. 1010ff.), ebenso die Aufwendungen für eine Mietrückgewähr beim Leasinggeber (vgl. BFH-Urt. v. 15.04.1993, BFHE 1994, S. 435ff.), für ausstehende Abrechnungsverpflichtungen (vgl. BFH-Urt. v. 18.01.1995, BStBl. II 1995, S. 742), für bedingt rückzahlbare betriebliche Zuwendungen...