Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
Rn. 271
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Auch im Zusammenhang mit dem Ansatz von aktiven latenten Steuern greift – wie unter HdR-E, HGB § 268, Rn. 257, bereits angedeutet – die Ausschüttungssperre i. S. v. § 268 Abs. 8 (vgl. ausführlich zur bilanziellen Behandlung latenter Steuern BilMoG-HB (2009), Kap. XXI, S. 499 (501ff.); HdR-E, HGB § 274). Dabei ist es unerheblich, ob die Bildung latenter Steuern erfolgswirksam oder – wie es im Rahmen bestimmter Übergangsregelungen (vgl. etwa Art. 67 Abs. 6 Satz 1 EGHGB) bzw. in Ausnahmefällen im Zugangszeitpunkt möglich ist – erfolgsneutral erfolgt (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. N, Rn. 47). Dies geht bereits aus dem Wortlaut des § 268 Abs. 8 hervor, wonach eine bilanzorientierte Betrachtung vorzunehmen ist. Der bilanzielle Charakter aktiver latenter Steuern, die als "Sonderposten eigener Art" (BT-Drs. 16/10067, S. 67) bezeichnet werden, bringt bereits die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich eines zukünftigen Nutzenpotenzials zum Ausdruck. Dies gilt umso mehr, als aktive latente Steuern auch auf steuerliche Verlust- und Zinsvorträge zu bilden sind (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. XXI, S. 499 (508ff.)). Um zu gewährleisten, dass die unsicheren und unrealisierten EK-Bestandteile an das UN gebunden bleiben und dem Gläubigerschutzprinzip Rechnung getragen wird, ist der Betrag, um den die aktiven die passiven latenten Steuern übersteigen, nicht ausschüttungsfähig und daher nach § 268 Abs. 8 Satz 2 mit einer Ausschüttungssperre zu belegen.
Rn. 272
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Bei der Bestimmung des Ausschüttungssperrbetrags ist insbesondere Folgendes zu beachten: Einerseits erlaubt es das Saldierungswahlrecht des § 274 Abs. 1 Satz 3, die aktiven und passiven latenten Steuern entweder in einer Größe saldiert oder jeweils unverrechnet als letzte Position auf der Passivseite (vgl. § 266 Abs. 3 E.) bzw. als vorletzte auf der Aktivseite der Bilanz (vgl. § 266 Abs. 3 D.) auszuweisen. Für die Beurteilung der Ausschüttungssperre ist es allerdings unerheblich, ob der Ausweis eines Aktivüberhangs in der Bilanz saldiert oder unsaldiert erfolgt (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 113). Andererseits wird nach der beschriebenen gesetzlichen Systematik zur Ermittlung der Ausschüttungssperre durch die Doppelberücksichtigung der passiven latenten Steuern ein zu niedriger Betrag gegen Ausschüttung geschützt. Denn die passiven latenten Steuern, die bei den selbst geschaffenen immateriellen VG oder den nach § 246 Abs. 2 Satz 2 zum Zeitwert bewerteten VG zu berücksichtigen sind, sollen nach dem Gesetzeswortlaut auch in die Ermittlung des Ausschüttungssperrbetrags einbezogen werden, der für bilanziell angesetzte aktive latente Steuern zu ermitteln ist. In Höhe der auf die beiden erstgenannten Posten gebildeten passiven latenten Steuern besteht folglich eine "Ausschüttungsentsperrung".
Rn. 273
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Vorstehende Problematik wird anhand des nachfolgenden Sachverhalts beispielhaft dargestellt.
Beispiel:
In der betrachteten Berichtsperiode wurde ein selbst geschaffener immaterieller VG i. H. v. 80 GE aktiviert. Darauf wurden, bei einem unterstellten Steuersatz von 20 %, passive latente Steuern i. H. v. 16 GE abgegrenzt.
Fall a): Es bestehen aktive latente Steuern i. H. v. 100 GE und passive latente Steuern i. H. v. insgesamt 36 GE.
Fall b): Wie a), jedoch ohne Ausweis des bestehenden Aktivüberhangs an aktiven latenten Steuern.
Fall c): Es bestehen aktive latente Steuern i. H. v. 100 GE und passive latente Steuern i. H. v. insgesamt 105 GE.
Lösung:
Fall a): Der Ausschüttungssperrbetrag, der auf den selbst geschaffenen immateriellen VG entfällt, beträgt 64 GE (= 80 ./. 16).
Nach § 268 Abs. 8 Satz 2 ist auch der Betrag ausschüttungsgesperrt, "um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen". Der übersteigende Betrag beläuft sich im konkreten Fall auf 64 GE (= 100 ./. 36). In der Summe ergibt sich somit ein Ausschüttungssperrbetrag von 128 GE (= 64 + 64). Nach dieser Vorgehensweise werden jedoch die auf die selbst geschaffenen immateriellen VG gebildeten passiven latenten Steuern doppelt, nämlich auch bei der Ermittlung des die passiven latenten Steuern übersteigenden Betrags an aktiven latenten Steuern, berücksichtigt. Ohne diese Doppelberücksichtigung ergibt sich ein um 16 GE höherer ausschüttungsgesperrter Betrag von 144 GE (= 64 + 80). Damit korrespondierend ist auch der aus vorgenannten Sachverhalten resultierende Ergebnis- bzw. EK-Effekt: Die Aktivierung des selbst geschaffenen immateriellen VG führt zu einer Ergebniserhöhung von 80 GE. Der Ansatz des Aktivüberhangs an latenten Steuern wiederum führt zu einem Steuerertrag von netto 64 GE (+ 100 ./. 36). Daraus resultiert ein Ergebnis- bzw. EK-Effekt i. H. v. insgesamt 144 GE (= 80 + 64). Nach gesetzlicher Vorgehensweise läge mithin eine i. H. v. 16 GE zu niedrige Ausschüttungssperre (= 144 ./. 128) vor. Ergo darf dem Wortlaut nicht gefolgt werden.
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Aktiva |
Passive latente Steuern |
Summe |
Hergestellte immaterielle VG |
80 |
16 |
64 |
An... |