Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Michael Olbrich
Rn. 313
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Prinzipiell gilt der in § 252 Abs. 1 Nr. 3 kodifizierte Grundsatz der Einzelbewertung. Danach ist jede Forderung unter Berücksichtigung ihrer "individuell anhaftenden Risiken und ggf. der damit zusammenhängenden zukünftigen Aufwendungen" (Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 567) auf ihre Werthaltigkeit hin zu beurteilen.
Rn. 314
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Forderungen sind bei der Folgebewertung damit auf ihr individuelles Ausfallrisiko hin zu untersuchen. Liegt ein solches Ausfallrisiko vor, das die vollständige oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Forderung nach sich zieht, ist die Forderung i. R.e. Einzelwertberichtigung zu korrigieren. Der beizulegende Wert der Forderung zum BilSt entspricht dann nur noch dem Geldbetrag, mit dessen Zugang nach vorsichtiger kaufmännischer Einschätzung und nach Abzug noch entstehender Kosten wahrscheinlich zu rechnen ist (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 531).
Rn. 315
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Auslöser derartiger Einzelwertberichtigungen können bspw. die unzureichende Bonität eines Schuldners am BilSt, bestrittene Forderungen oder eine fehlende (rechtliche oder tatsächliche) Durchsetzbarkeit sein (vgl. Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 415). Bei der Bewertung der Forderungen sind besondere Umstände (z. B. Aufrechnungsmöglichkeiten, Bürgschaften, Sicherungen, Delkredereversicherungen), die ein Ausfallrisiko völlig oder teilweise aufheben, zu berücksichtigen (vgl. zur Diskussion bezüglich der Berücksichtigung von Delkredeversicherungen Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 416). Eine Korrektur der USt ist erst zulässig, wenn der Forderungsausfall endgültig feststeht (vgl. BFH, Urteil vom 16.07.1981, IV R 89/80, BStBl. II 1981, S. 766f.).
Rn. 316
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Die Notwendigkeit zur Abschreibung kann sich auch aus der Unverzinslichkeit oder Niedrigverzinslichkeit von Forderungen ergeben. Von einer Abschreibungspflicht ausgenommen sind lediglich unterverzinsliche Forderungen mit einer geringen Restlaufzeit (vgl. WP-HB (2019), Rn. F 416). Unter einer geringen Restlaufzeit wird im Schrifttum eine Laufzeit von bis zu einem Jahr verstanden (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 532; Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 592; Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 426).
Eine niedrige Verzinslichkeit wird angenommen, wenn der angewendete Zinssatz nicht nur geringfügig, sondern deutlich unter einer Bandbreite von als marktüblich angesehenen Zinssätzen liegt (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 596). Je weiter die Verzinsung der Forderung unter der marktüblichen Verzinsung liegt, desto höher ist – bei gegebener Restlaufzeit – der Wertabschlag. Um zum aktuellen Stichtagswert zu gelangen, ist der Nennbetrag der Forderung um den Barwert des Zinsverlusts zu reduzieren (vgl. Wöhe, (1997), S. 507f.). Die daraus resultierende Abschreibung ist in der GuV als Zinsaufwand zu erfassen.
Rn. 317
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Nicht nur die unzureichende Bonität eines Schuldners oder die unzureichende Verzinsung einer Forderung sind Abschreibungsgründe. Daneben kann sich bei Fremdwährungsforderungen die Notwendigkeit für Bewertungsabschläge am BilSt ergeben, wenn z. B. der Nennwert in ausländischer Währung zum Stichtagskurs in Euro umgerechnet niedriger ist als der angesetzte Euro-Betrag, der sich nach dem Kurs zum Transaktionszeitpunkt ergab (vgl. WP-HB (2019), Rn. F 419). Andererseits kann sich bei Fremdwährungsforderungen mit einer Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger aber auch die Situation ergeben, dass der zum BilSt in Euro umgerechnete Nennwert größer ist als die AK in Euro. Die dabei entstehenden Erträge sind erfolgswirksam zu erfassen (vgl. § 256a Satz 2; HdR-E, HGB § 253, Rn. 51).
Rn. 318
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Eine Einzelwertberichtigung für jede Forderung eines UN ist im Regelfall sehr arbeits- und zeitaufwendig und damit in der Praxis nur schwer umsetzbar. Vereinfachend und auch handelsrechtlich zulässig (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 533; Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 572f. sowie bereits Ibert/Kuxdorf, WPg 1985, S. 217) ist eine Sammelbewertung von Forderungen mit gleichartigem Risikoprofil und damit die Erfassung des jeweiligen Ausfallrisikos einer Forderungsgruppe im Wege einer pauschalierten Einzelwertberichtigung. Diese Methodik ist aber nur zulässig, wenn eine Vielzahl betragsmäßig kleiner Forderungen existiert. Wesentliche Forderungen sind weiterhin i. R.e. Einzelwertberichtigung zu beurteilen. Zudem sind zur Vermeidung von Doppelerfassungen etwaiger Wertminderungen nur die Forderungen einer pauschalierten Einzelwertberichtigung zu unterziehen, die nicht bereits individuell einzelwertberichtigt wurden.
Zur Durchführung pauschalierter Einzelwertberichtigungen bietet es sich an, die jeweiligen Forderungen anhand bestimmter Kriterien zu gruppieren. Die Einteilung kann bspw. nach Kundengruppen, Mahnstufen oder Länderrisiken erfolgen. Die Höhe der vorzunehmenden Abschläge ist mithilfe von Erfahrungswerten aus vergangenheitsbezogenen Daten sowie ggf. unter B...