Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Peter Dittmar
Rn. 62
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Bei Vollerhebungen werden alle Elemente eines Prüfungsfelds auf sämtliche urteilsrelevante Merkmale ausgewählt und somit Vollprüfungen durchgeführt (vgl. Schulte (1970), S. 43). Vollprüfungen sind bei jenen Elementen des Prüfungsgegenstands durchzuführen, deren Ordnungsmäßigkeit nur festgestellt werden kann, wenn sie vollständig geprüft worden sind. Das gilt z. B. für die Einhaltung gesetzlicher Gliederungsvorschriften in der Bilanz gemäß § 266 oder für die Vollständigkeit der Pflichtangaben im Anhang gemäß der §§ 284–288 (vgl. Buchner (1985), S. 34).
Rn. 63
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Aufgrund des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit wird für zahlreiche Prüfungsfelder keine lückenlose Prüfung möglich sein (vgl. auch HdR-E, HGB § 317, Rn. 24). Da der AP bei der Prüfungsaussage keine absolute, sondern lediglich eine hinreichende Sicherheit und Genauigkeit erzielen muss, können auch mittels Auswahlprüfungen hohe Sicherheits- und Genauigkeitsgrade für Urteile erzielt werden, obwohl der Prüfungsumfang gegenüber einer Vollprüfung erheblich reduziert werden kann. Der AP beurteilt nach pflichtgemäßem Ermessen und mit kritischer Grundhaltung die Zahl und die Qualität der stichprobenbezogenen Prüfungsnachweise und damit, ob diese ausreichend und angemessen sind, um das Prüfungsurteil zu stützen. Vollerhebungen mit Vollprüfungen von Prüfungsfeldern sollten deshalb nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden. Dies gilt etwa für Prüfungsfelder, bei denen einzelne Fehler sehr bedeutsam sind (z. B. Prozessrückstellungen) oder wenn anhand von Stichproben keine Aussage über die Ordnungsmäßigkeit getroffen werden kann (z. B. bei Gliederungsvorschriften und Angaben im Anhang), das Prüfungsfeld nur wenige Posten umfasst oder wenn von einem IT-System durchgeführte Berechnungen auf wirtschaftliche Weise in vollem Umfang geprüft werden können, weil z. B. IT-gestützte Prüfungstechniken vom AP eingesetzt werden (vgl. Marten/Quick/Ruhnke (2020), S. 446; ISA [DE] 500 (2020), Rn. A54).
Rn. 64
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
In allen anderen Fällen sollten i. S. d. risikoorientierten Prüfungsansatzes Auswahlverfahren eingesetzt werden. Dabei ist zwischen der bewussten Auswahl und der repräsentativen Auswahl in Form einer Stichprobe zu unterscheiden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 222; Buchner, WPg 1961, S. 657 (657ff.); Brösel et al. (2015), S. 311). Bei der bewussten Auswahl entscheidet der AP aufgrund seiner auf Vorinformationen über ein Prüfungsfeld gestützten subjektiven Einschätzung, welche Geschäftsvorfälle des Prüfungsfelds untersucht werden (vgl. Loitlsberger (1966), S. 91; von Wysocki, ST 1986, S. 391f.; Gründer (1989), S. 9). Die Stichprobe ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass jeder Geschäftsvorfall aus der Menge aller Geschäftsvorfälle eines Prüfungsfelds zufällig, aber mit einer bestimmten vorher festgelegten Wahrscheinlichkeit ausgewählt wird (vgl. Buchner, WPg 1961, S. 657 (658); Rückle (1978), S. 797 (813f.); Mandl (1984), S. 17; Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 224; Brösel et al. (2015), S. 314).