Dr. Raphael Eichenlaub, Prof. Dr. Claus-Peter Weber
Rn. 15
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Gemäß § 258 Abs. 2 werden die Vorschriften der ZPO über die Verpflichtung des Prozessgegners zur Vorlegung von Urkunden nicht tangiert. Diese werden insbesondere zur Anwendung gelangen, sofern die vorzulegenden Unterlagen keine Handelsbücher i. S. d. § 257 Abs. 1 Nr. 1 sind. Nach den allg. Vorschriften der ZPO setzt sich das Beweisverfahren aus einem Beweisantrag, der Anordnung der Beweiserhebung, der Beweisaufnahme und schließlich der Beweiswürdigung zusammen.
Rn. 16
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Will eine Partei den Beweis durch Vorlage von Handelsbüchern führen, erfolgt dies durch Vorlage gemäß § 420 ZPO, wenn sich die Handelsbücher im Besitz dieser Partei befinden oder sie ohne Hilfe des Gerichts darauf zurückgreifen kann, sonst durch einen Antrag gemäß § 421 ZPO, um dem Prozessgegner die Vorlage der Handelsbücher aufzugeben; befinden sich die Handelsbücher weder im Besitz der beweisführenden Partei noch der anderen Partei, kommt nur der Antrag gemäß § 428 ZPO zur Bestimmung einer Frist für die Heranschaffung der Handelsbücher in Betracht. Insoweit gilt für die Handelsbücher als Beweismittel nichts anderes als für sonstige als Beweismittel geeignete Urkunden. Danach ist für die Durchsetzung des Antrags auf Vorlage gegen die andere Partei entscheidend, dass diese nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Vorlage verpflichtet ist (vgl. § 422 ZPO) oder eine Verpflichtung gemäß § 423 ZPO besteht, weil die gegnerische Partei selbst auf die (eigenen) Handelsbücher zur Beweisführung Bezug genommen hat. Eine Pflicht zur Vorlage der Handelsbücher kann ansonsten vornehmlich aus
- § 810 BGB (allg. Anspruch auf Einsicht in dem Besitz eines anderen befindliche Urkunden),
- § 87c Abs. 4 (Sondervorschrift zu § 810 BGB für den Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmer zur Durchsetzung seines Provisionsabrechnungsanspruchs),
- § 118 Abs. 1 (Einsichts- und Kontrollrechte der Gesellschafter einer OHG),
- § 166 Abs. 1 (Einsichts- und Kontrollrechte von Kommanditisten),
- § 233 Abs. 1 (Einsichts- und Kontrollrechte eines stillen Gesellschafters),
- § 111 Abs. 2 AktG (Einsichts- und Prüfungsrecht des AR einer AG und KGaA, das im Übrigen auch für den fakultativen bzw. gesetzlichen AR einer GmbH entsprechend gilt; vgl. § 52 Abs. 1 GmbHG und § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG),
- § 18 SEAG (Informationsverlangen einzelner Mitglieder des Aufsichtsorgans),
- Art. 41 Abs. 4 SE-VO sowie
- § 51a GmbHG (Auskunfts- und Einsichtsrechte der Gesellschafter einer GmbH)
resultieren; ferner können sich derartige Vorlagepflichten hinsichtlich der Handelsbücher insbesondere aus den allg. Rechenschaftspflichten gemäß der §§ 666, 675, 681, 687 Abs. 2, 713 BGB i. V. m. §§ 259ff. BGB ergeben. In dem Antrag, der anderen Partei die Vorlage aufzugeben, ist dabei der Grund, aus dem sich die Verpflichtung zur Vorlegung ergibt, glaubhaft zu machen (vgl. § 424 Nr. 5 ZPO).
Rn. 17
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Befinden sich die Handelsbücher im Besitz eines Dritten, der der gegnerischen Partei gegenüber nicht herausgabepflichtig ist, kommt nur die Klage gegen diesen Dritten auf Vorlage in Betracht, wenn die beweisführende Partei gegenüber dem Dritten einen eigenen Rechtsanspruch auf Einsicht bzw. Vorlage, etwa nach den oben aufgeführten Vorschriften, besitzt (vgl. § 429 ZPO). In diesen Fällen handelt es sich nicht um die Durchsetzung des Einsichtsrechts nach den genannten Vorschriften an sich, sondern um die Durchsetzung eines andersartigen Anspruchs, der dem Grund und/oder der Höhe nach u. a. durch Vorlage der Handelsbücher bewiesen werden soll. Der Anspruch auf Einsicht selbst wäre durch darauf gerichtete Klage bzw. evtl. auch durch Antrag an das Gericht bei wichtigem Grund gemäß der §§ 166 Abs. 3 bzw. 233 Abs. 3 geltend zu machen.