Rn. 74
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Unter einer kombinierten Beherrschung versteht man die Kombination verschiedener Beherrschungsmittel in der Hand eines UN, die in ihrem Zusammenwirken so stark sind, dass sie abhängigkeitsbegründend wirken können, aber keines dieser Mittel für sich allein betrachtet beherrschenden Einfluss ermöglicht (vgl. KK-AktG (2011), § 17, Rn. 68; MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 31). Im Schrifttum wird dieser Sachverhalt unterschiedlich beurteilt. So lässt Koppensteiner die Möglichkeit einer kombinierten Beherrschung nur gelten, "wenn beide Mittel auf derselben Ebene wirken, also etwa anläßlich der Kumulierung des Stimmgewichts aus eigener und fremder Beteiligung z. B. über einen Stimmbindungsvertrag. Andere Kombinationen sind regelmäßig ungeeignet, sich zu beherrschendem Einfluß zu summieren" (KK-AktG (2011), § 17, Rn. 68 (Herv.d. d.Verf.)). Dieser grds. Abrede wird im überwiegenden Schrifttum nicht gefolgt. So wird grds. zugestanden, dass im Zusammenhang mit einer Minderheitsbeteiligung außergesellschaftsrechtliche Druckmittel zur Folge haben können, dass ein zunächst nicht ausreichender Einfluss mit Hilfe wirtschaftlichen Zwangspotenzials zu einem beherrschenden Einfluss verstärkt wird (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 10; HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 41; KonzernR (2019), § 17 AktG, Rn. 16). "Denn erforderlich ist stets eine Gesamtschau aller Einwirkungsmöglichkeiten, denen betreffende Gesellschaft ausgesetzt ist" (MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 32).
Rn. 75
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So kann auch durch eine Minderheitsbeteiligung eine Abhängigkeit begründet werden, wenn z. B. das beteiligte UN wegen regelmäßig niedriger HV-Präsenz praktisch immer damit rechnen kann, auf der HV eine gesicherte Mehrheit zu erhalten (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 9; WP-HB (2021), Rn. C 102; KonzernR (2019), § 17 AktG, Rn. 19; MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 35). Aus Sicht des abhängigen UN ist es unerheblich, ob die "Personalentscheidungsgewalt durch eine Mehrheitsbeteiligung abgesichert ist oder sich eine Hauptversammlungsmehrheit für den Aktionär mit dem größten Aktienpaket erfahrungsgemäß nur deshalb ergibt, weil ein Teil der Aktionäre ihre Stimmrechte nicht wahrnehmen" (MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 35). Gleiches gilt, wenn neben einem Großaktionär überwiegend Kleinaktionäre an der Gesellschaft beteiligt sind. Ist der übrige Anteilsbesitz weit gestreut und kann der Großaktionär sich deshalb in der HV mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit stets durchsetzen, so kann auch dies ein Abhängigkeitsverhältnis begründen (vgl. WP-HB (2021), Rn. C 102; ebenso Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 9; ablehnend HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 43: denn ob "und in welchem Maß diesem Umstand Bedeutung zukommt, ist von Fall zu Fall ganz unterschiedlich und kaum greifbar"; i. d. S. auch BeckOGK-AktG (2021), § 17 AktG, Rn. 31).
Rn. 76
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Eine weitere Möglichkeit für eine kombinierte Beherrschung wäre gegeben, wenn eine Minderheitsbeteiligung durch beständige Unterstützung anderer Gesellschafter verlässlich gesichert und mit den Stimmen dieser anderen Gesellschafter die erforderliche Stimmenmacht erreicht wird (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 43). Die Absicherung kann z. B. mit Hilfe von Treuhand- und Stimmbindungsverträgen gesichert werden (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 3, Rn. 24). Besteht in diesem Fall eine Mehrheitsbeteiligung eines anderen UN, ist allerdings zu beachten, dass ein herrschender Einfluss eines UN mit Minderheitsbeteiligung nur dann angenommen werden kann, wenn die Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 AktG widerlegt ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.02.2021, 21 W 134/20, NZG 2021, S. 777ff.).
Rn. 77
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In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob das Depotstimmrecht einer Bank bei entsprechendem Umfang als Herrschaftsmittel in Betracht kommt. Im Schrifttum wird dies überwiegend mit der Begründung abgelehnt, dass die Bank bei der Ausübung der Stimmrechte an die Weisungen des vollmachtgebenden Aktionärs (vgl. § 135 Abs. 5 AktG) gebunden sei (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 44; Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 10; BeckOGK-AktG (2021), § 17 AktG, Rn. 31) und zudem auf die Unterstützung kein dauerhafter Verlass sei, da die Stimmrechtsvollmacht jederzeit widerrufen werden kann (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 17, Rn. 10). Nach Bayer war diese herrschende Auffassung in der Vergangenheit realitätsfremd. "Denn dass die Depotkunden abweichende Weisungen erteilen oder die Stimmrechtsvollmacht widerrufen, ist zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich und somit aus der maßgeblichen Sicht der Aktiengesellschaft ein zu vernachlässigender Faktor" (MünchKomm. AktG (2019), § 17, Rn. 48). Diese Problematik wurde indes durch die Neufassung des § 135 AktG i. R.d. Aktienrechtsreform 1998 entschärft (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 3 AktG (a. F.); BT-Drs. 13/9712, S. 20). So ist es Banken bzw. Intermediären gemäß § 135 Abs. 3 Satz 4 nicht (mehr) möglich, das Stimmrecht ...