Dr. Julia Zicke, Prof. Dr. Christoph Hütten
Rn. 98
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 236 AktG enthält eine lex specialis zu § 325 für den Fall, in dem eine AG (bzw. KGaA oder SE) eine vereinfachte Kap.-Herabsetzung nach den §§ 229ff. AktG durchführt und diese nach § 234 AktG (bzw. § 235 AktG bei gleichzeitiger Kap.-Erhöhung) bereits im JA für das letzte GJ vor der Beschlussfassung berücksichtigt hat. Hiernach darf die Offenlegung nicht bereits nach der HV, sondern erst dann vorgenommen werden, wenn der Beschluss über die Kap.-Herabsetzung im Handelsregister eingetragen wurde. Da § 236 AktG hinsichtlich der geänderten Fristsetzung auf § 325 verweist, ist davon auszugehen, dass der Grundsatz der Unverzüglichkeit auch hier gilt, weshalb die Offenlegung unverzüglich zu erfolgen hat, sobald der AG (bzw. KGaA oder SE) bekannt wird, dass die Eintragung erfolgt ist. Allerdings gilt für die Beschlüsse gemäß § 234 Abs. 3 AktG bzw. § 235 Abs. 3 AktG, dass diese nichtig werden, falls sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen wurden. Daraus folgt: Die Offenlegung des JA ist spätestens nach weiteren drei Monaten vorzunehmen. Der Normenzweck von § 236 AktG besteht zweifellos in einer Verhinderung von Verwirrung bei den RL-Adressaten. Der JA soll deshalb erst offengelegt werden, wenn die Kap.-Herabsetzung auch formal abgeschlossen wurde. Bezüglich rechtshängiger Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen enthält der § 234 Abs. 3 Satz 2 AktG einen Passus, der den Lauf der Dreimonatsfrist hemmt. Dies kann allerdings so interpretiert werden, dass sich dieser Passus auf den Fristbeginn bezieht und somit bei rechtshängigen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen nicht die Offenlegungsfrist gemäß § 234 Abs. 3 AktG bzw. § 235 Abs. 3 AktG zu laufen beginnt, gleichwohl aber die Fristen des § 325 einzuhalten sind und i. R.d. Offenlegung auf die noch fehlende Eintragung im Handelsregister hinzuweisen ist (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2022), § 325 HGB, Rn. 120f.; MünchKomm. HGB (2020), § 325, Rn. 68f.). Auf diese Weise werden Fälle vermieden, in denen durch sehr lange Prozessdauern eine Offenlegung des JA auf nicht absehbare Zeit verschoben wird und den interessierten Abschlussadressaten wichtige UN-Informationen längere Zeit vorenthalten bleiben.
Rn. 99
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Zwar bezieht sich § 236 AktG dem Wortlaut nach nur auf die Offenlegung des JA. Da jedoch das geänderte Grundkap. auch im Lagebericht Erwähnung findet und die Ergebnisverwendung beeinflussen kann, betrifft § 236 AktG auch die neben dem JA offenzulegenden Unterlagen. Daher ist nach hier vertretener Ansicht im Anwendungsfall des § 236 AktG über den Gesetzeswortlaut hinaus von einer Geltung der von § 325 abweichenden Offenlegungsfristen für alle nach § 325 offenzulegenden Unterlagen auszugehen.