Rn. 22
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Von der Regelung, dass auf der Passivseite nur Schulden ausgewiesen werden, gibt es mehrere Ausnahmen. Dazu gehört die Passivierung sog. Aufwandsrückstellungen, latenter Steuern, der RAP und des EK.
Rn. 23
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Nach der aufgezeigten Auslegung für das Vorliegen einer Schuld, aus der auch hervorgeht, dass eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten gegeben sein muss, ist die Vereinbarkeit von Rückstellungen für unterlassene, aber innerhalb einer Dreimonatsfrist nachgeholte Instandhaltungen oder für innerhalb eines GJ nachgeholte Abraumbeseitigungen mit der Definition einer Schuld nicht gegeben (vgl. dahingehend ADS (1998), § 249, Rn. 37; Freericks (1976), S. 240). Die Begründung für die Bilanzierung derartiger Aufwandsrückstellungen wird in der Periodenabgrenzung und somit unter Gesichtspunkten dynamischer Bilanzauffassung gesehen (vgl. Eifler (1976), S. 196; MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 45f.). Unter dem Gesichtspunkt dynamischer Bilanzauffassung fordert mitunter Grubert ((1978), S. 234) eine "umfassende Berücksichtigung von Aufwandsrückstellungen" in HB und StB, ohne allerdings eine generelle Berücksichtigungsfähigkeit unterlassener Ausgaben, wie z. B. von Rückstellungen für unterlassenen Forschungs- oder Reklameaufwand, zu befürworten, weil derartige Aufwendungen "nicht mit der Leistungserstellung der Vergangenheit in Verbindung stehen" (Grubert (1978), S. 238; vgl. ähnlich Müller-Dahl (1979), S. 207ff.). Schneider lehnt die Möglichkeit zur Bildung von Aufwandsrückstellungen ab, weil dadurch einerseits Nicht-Schulden in die Bilanz aufgenommen würden und andererseits nicht die Vorwegnahme drohender Verluste bei Einzelgeschäften, sondern vielmehr die Vorwegnahme künftig entgehender Gewinne wegen des jetzigen Unterlassens von Zahlungen erfolge (vgl. Schneider, ZfbF (1983), S. 1040 (1045)).
Rn. 24
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ob man die Aufwandsrückstellungen als Schulden ansieht oder ob man ihnen eine Periodisierungsaufgabe außerhalb der eigentlichen Definition von Schulden zuspricht und sie dann als Passivierungshilfe oder als ein dem passivischen RAP vergleichbares Periodisierungsinstrument begreift, hängt davon ab, ob die Definition einer Schuld entsprechend modifiziert wird. Die noch vor Inkrafttreten des BilMoG vorgesehene Bildungsmöglichkeit von Aufwandsrückstellungen i. S. d. § 249 Abs. 2 (a. F.) lässt sich weder aus statischer noch aus dynamischer Sicht rechtfertigen, so dass diese Rückstellungskategorie als Passivierungshilfe angesehen werden musste, die dazu verhelfen sollte, Erfolge vor den Anteilseignern zu verstecken bzw. Ergebnisse verschiedener Perioden zu nivellieren (vgl. zutreffend Siegel, WPg 1985, S. 414 (418), sowie ihm folgend Kussmaul, DStR 1987, S. 675 (682f.); HdB (2020), Stichwort-Nr. 146, Rn. 35; zu den Aufwandsrückstellungen u. a. auch Selchert, DB 1985, S. 1541ff.; Streim, BB 1985, S. 1575ff.). Eine Modifikation des Begriffs der Schuld ist unter diesem Gesichtspunkt nicht angebracht.
Rn. 25
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Dieselben Überlegungen gelten grds. auch für die vor Geltung des BilMoG als Rückstellungen qualifizierten passiven latente Steuern. Mit latenten Steuern sollte – unter der Ägide des vor BilMoG vorherrschenden "Timing"-Konzeptes – ein mit dem handelsbilanziellen Ergebnis korrespondierender Ertragsteueraufwand ausgewiesen werden (vgl. Bolin/Haeger/Zündorf, DB 1985, S. 605 (610); Harms/Küting, BB 1985, S. 94). Seit der Neufassung des § 274 im Zuge des BilMoG erfolgt der Ansatz latenter Steuern nun mithilfe des auch nach den IFRS maßgeblichen bilanzorientierten "Temporary"-Konzeptes. Dies hat zur Konsequenz, dass nicht mehr auf Differenzen zwischen dem handelsrechtlichen und steuerlichen Ergebnis abgestellt wird, sondern eine Steuerabgrenzung auf Grundlage vorübergehend unterschiedlicher Wertansätze in HB und StB zu erfolgen hat. Somit liegt der Zweck der Bilanzierung latenter Steuern nicht mehr in der periodengerechten Erfolgsermittlung, sondern vielmehr in der zutreffenden Darstellung der Vermögenslage (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. XXI, S. 499 (502)). Durch die Klarstellung des Gesetzgebers, passive latente Steuern seien als "Sonderposten eigener Art" zu sehen, erübrigt sich die Frage, ob in ihnen eine Schuld, ein RAP oder eine Bilanzierungshilfe zu sehen ist (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 146f.).
Rn. 26
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Während die passiven und aktiven RAP der Erfolgsperiodisierung in genau bestimmten Fällen dienen (vgl. HdR-E, HGB § 250), stellt das EK den aus der Bilanz zu ermittelnden "Saldo zwischen Vermögen und Schulden" dar (vgl. auch z. B. ADS (1998), § 246, Rn. 79, wonach in Rn. 80ff. ausführlich auf Ausweisfragen im Zusammenhang mit dem EK – insbesondere Genussrechtskap., stille Beteiligungen und Gesellschafterdarlehen – eingegangen wird; fernerhin Bitz et al. (2014), S. 203). Auch wenn im EK eine Verpflichtung des UN an dessen Anteilseigner gesehen wird (vgl. Vogler (1972), S. 121), ist die bilanzielle Größe ...