Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Boris Hippel
Rn. 31
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Ähnlich wie bei der Ertragslage, die neben den Erträgen auch die Aufwendungen umfasst, bezieht sich die Vermögenslage nicht nur auf die Aktivposten der Bilanz, die als das Vermögen des UN bezeichnet werden (vgl. Baetge, in: HWB (1975), Sp. 2089 (2094)), sondern auch auf das auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesene Kap. Der Einblick in die Vermögenslage verlangt, dass das Vermögen sowie das EK und FK in ihren wesentlichen Posten offengelegt werden. Basis ist grds. das bilanzielle Vermögen, d. h., die Vermögenslage ist weder bezogen auf den Zeitwert noch unter Zerschlagungsgesichtspunkten (soweit vom Going Concern auszugehen ist) darzustellen.
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Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Um die Vermögenslage eines UN beurteilen zu können, reichen die in der Bilanz ausgewiesenen Aktiv- und Passivposten aber nicht aus. Wichtig sind auch Informationen über nicht bilanzierungsfähige bzw. nicht bilanzierungspflichtige VG sowie nicht bilanzierungsfähige Verbindlichkeiten, z. B. selbst erstellte immaterielle VG (vgl. zum Bilanzierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV HdR-E, HGB § 248, Rn. 17ff.), Bürgschaften und Eigentumsvorbehalte. Haftungsverhältnisse sind, sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, nach § 251 von allen Kaufleuten unter der Bilanz anzugeben. Kleinst-KapG, die gemäß 264 Abs. 1 Satz 5 keinen Anhang erstellen, haben die nach § 268 Abs. 7 geforderten Angaben zu Haftungsverhältnissen unter der Bilanz zu machen. KapG haben die in § 251 bezeichneten Haftungsverhältnisse gemäß § 268 Abs. 7 jeweils gesondert unter der Bilanz oder im Anhang anzugeben, und zwar unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten (vgl. zu den GoB für Haftungsverhältnisse Fey (1989)). Dabei sind Verpflichtungen gegenüber verbundenen UN gesondert anzugeben. Darüber hinaus müssen "Art und Zweck sowie Risiken, Vorteile und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften, soweit die Risiken und Vorteile wesentlich sind und die Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich ist" (§ 285 Nr. 3), im Anhang angegeben werden. Ferner ist der Gesamtbetrag der nicht bilanzierungspflichtigen, für die folgenden Jahre bereits eingegangenen sonstigen finanziellen Verpflichtungen, wie Verpflichtungen aus langfristig gemieteten VG, aus langfristigen Abnahmeverträgen, aus begonnenen Investitionsvorhaben, aus künftigen Großreparaturen, aus Großabschlüssen, aus erforderlichen Umweltschutzmaßnahmen und aus Leasingverträgen nach § 285 Nr. 3a im Anhang anzugeben, "sofern diese Angabe für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist" (§ 285 Nr. 3a). Nicht-VG, die in der Bilanz aufgrund eines Wahlrechts aktiviert werden, wie aktive latente Steuern (vgl. § 274 Abs. 1), sind über den gesonderten Ausweis in der Bilanz hinaus mit der Angabe, "auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist" (§ 285 Nr. 29) im Anhang zu erläutern, damit ein zutreffender Einblick in die Vermögenslage (und die Ertragslage) vermittelt wird.
Neben der Information über sämtliche VG und Schulden des UN sind zur Beurteilung der Vermögenslage für den Adressaten auch die angewendeten Bewertungsmethoden von besonderer Bedeutung. Diese Informationen sind gemäß § 284 Abs. 2 Nr. 1 ebenfalls im Anhang zu geben. Ein JA wäre für den Leser z. B. aussagelos, wenn er nicht wüsste, ob die Bewertung unter der Voraussetzung der Fortführung der UN-Tätigkeit (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2) oder der Zerschlagung des UN vorgenommen worden ist.
Werden allerdings künftige Größen, wie die AfA-Dauer und die Höhe von Rückstellungen, soweit sich diese nicht mit statistischen Verfahren ermitteln lassen, geschätzt, so ergeben sich zwangsläufig Spielräume, über deren Ausnutzung der JA-Adressat auch durch die Informationen im Anhang nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 keinen hinreichenden Einblick erhalten kann, weil hier subjektive Schätzungen unvermeidbar sind (vgl. Baetge/Ballwieser, BFuP 1978, S. 511 (513)). Zwar ist der Bilanzierende an den Grundsatz der Willkürfreiheit (vgl. HdR-E, Kap. 4, Rn. 64) gebunden, doch ist erstens seine Einhaltung nicht überprüfbar und zweitens wäre die Schätzung künftiger Größen bei Beachtung dieses Grundsatzes auch nicht objektiv.
Die Beurteilung der Vermögenslage setzt erstens Informationen über den Wertansatz sämtlicher Vermögensobjekte und Schulden und zweitens eine detaillierte Kenntnis aller Bewertungs- und Schätzmethoden voraus. Das wird durch die Erläuterungspflichten im Anhang weitgehend erfüllt. Im Anhang sind insbesondere folgende Angaben für die Beurteilung der Vermögenslage von Bedeutung:
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Angaben zu den angewendeten Ansatz- und Bewertungsmethoden:
- die angewendeten Bewertungsmethoden bzw. deren Änderungen sind anzugeben bzw. zu erläutern (vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1f.);
- eine Erläuterung des Zeitraums, über den der entgeltlich erworbene G...
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