Dr. Robert Weber, Julia Sieber
I. Grundlagen
Tz. 43
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Mit der D&O-Versicherung soll die Absicherung des Mitglieds eines Organs der Gesellschaft oder eines sonstigen leitenden Angestellten gegen Haftungsrisiken mit dem Mittel der Haftpflichtversicherung erreicht werden. Die versicherten Personen werden von den Folgen in Haftungsfällen i. R.d. Organtätigkeit, insbesondere von Schadensersatzansprüchen, freigestellt. Die D&O-Versicherung ist eine freiwillige Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung i. S. d. §§ 43ff. VVG, die durch die Gesellschaft als Beitragsschuldnerin finanziert wird (vgl. OLG München, Urteil vom 15.03.2005, 25 U 3940/04, VersR 2005, S. 540; KK-AktG (2010), § 93, Rn. 241). Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person bei Ausübung ihrer Organtätigkeit eine Pflicht verletzt und ein Dritter erfolgreich Schadensersatzansprüche geltend macht, die sich auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts stützen und zu einem Vermögensschaden bei dem Dritten führen (vgl. BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 279). Der D&O-Versicherung liegen eine Abwehrfunktion und eine Schadensausgleichsfunktion zugrunde (vgl. Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (902)). Zunächst wird der Versicherer die versicherte Person außergerichtlich und gerichtlich dabei unterstützen, die Schadensersatzforderungen abzuwehren. Sind die Ansprüche begründet, gleicht der Versicherer sie aus.
Tz. 44
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Versicherter ist der Vorstand, die Gesellschaft ist Versicherungsnehmerin – und trägt demgemäß auch die Prämien. Der Anspruchsteller hat sowohl bei der Innen- als auch Außenhaftung keinen direkten eigenen Anspruch gegen den Versicherer auf Zahlung. Insbesondere bei der Innenhaftung, bei der die Gesellschaft zugleich Anspruchstellerin und Versicherungsnehmerin ist, besteht auch nach ständiger Rspr. kein eigener Direktanspruch gegen den Versicherer (vgl. Sieg (2017a), Rn. 20ff.; Dreher/Thomas, ZGR 2009, S. 31 (35); OLG Köln, Urteil vom 02.09.2008, 9 U 151/07, VersR 2008, S. 1673f.; OLG München, Urteil vom 15.03.2005, 25 U 3940/04, VersR 2005, S. 540; LG München I, Urteil vom 30.04.2004, 23 O 8879/03, VersR 2005, S. 543; LG Marburg, Urteil vom 03.06.2004, 4 O 2/03, DB 2005, S. 437). Der Freistellungsanspruch des Vorstandsmitglieds gegen den Versicherer wandelt sich mit Abtretung an die AG in einen Zahlungsanspruch um, den die AG wiederum unmittelbar geltend machen kann. Einer Inanspruchnahme des Versicherers steht es nicht entgegen, wenn die vorherige Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds durch die Gesellschaft ausschließlich den Zweck verfolgt, sich dessen Freistellungsanspruch abtreten zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2016, IV ZR 51/14, AG 2016, S. 395 (397, 399)).
II. Deckungsumfang und Deckungsablehnungsgründe
Tz. 45
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Zur Feststellung des Deckungsumfangs findet eine Deckungsprüfung statt, bei der geklärt werden muss, ob ein Versicherungsfall vorliegt und in welche Versicherungsperiode dieser fällt, in welcher Höhe Versicherungsschutz besteht und ob Ausschlussgründe vorliegen (vgl. Sieg (2017a), Rn. 33). Der Versicherer ist an die tatsächlichen Feststellungen zur Pflichtverletzung gebunden, wie sie in einem Haftpflichturteil zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft enthalten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2018, I-4 U 93/16, NZG 2018, S. 1310 (1311); Brinkmann, ZIP 2017, S. 301 (302)). Nach dem Anspruchserhebungsprinzip kommt es für den Versicherungsfall nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme der versicherten Person während der Dauer des Versicherungsvertrags an. Die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche umfasst die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen die geltend gemachten Ansprüche entstehen. Die Höhe der Versicherungssumme ist in der Police zum einen hinsichtlich des Einzelfalls und zum anderen bezüglich der Dauer der Versicherungsperiode geregelt, weiter ist der Versicherungsschutz von vornherein auf reine Vermögensschäden begrenzt. Versichert sind ferner regelmäßig nur solche Schäden, die in Ausübung einer Tätigkeit als Organmitglied begangen werden. Hier ist es wichtig, bereits im Versicherungsvertrag ausreichend Klarheit bei teils schwierigen Abgrenzungsfragen zu schaffen, da die Organmitglieder, sofern die Geschäftsführung eng in das operative Geschäft eingebunden ist – wie mitunter bei Dienstleistern oder mittelständischen UN, auch Aufgaben übernehmen, die keine spezifischen Organtätigkeiten sind. Fraglich ist ferner, ob die D&O-Versicherung auch Ansprüche aus § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG ((a. F.); vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 62) umfasst, wenn Versicherungsschutz nur besteht, soweit die versicherte Person wegen einer Pflichtverletzung für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Die h. M. in der aktienrechtlichen Literatur bejaht zwar die Deckung, letztlich ist aber die konkrete vertragliche Ausgestaltung entscheidend, die jedenfalls mittlerweile z...