Dr. Karl Petersen, Prof. Dr. Christian Zwirner
I. Widerlegbare und unwiderlegbare Ausschlussgründe
1. Einordnung der Gesetzesnormen
Rn. 12
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Systematisch verweist § 319b auf eine Reihe von Einzelnormen aus den allg. Vorschriften zur AP-Unabhängigkeit des § 319 (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 319b, Rn. 9). Die in diesen einzelnen Normen jeweils mit Blick auf einen AP bzw. übertragen auf eine Prüfungsgesellschaft geltenden Anforderungen sind für Zwecke des § 319b sowie i. S.e. Ausweitung auf das Netzwerk eines AP entsprechend unter dem Blickwinkel eines Netzwerkmitglieds zu betrachten.
Rn. 13
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Im Fall von PIE-Prüfungen sind neben den §§ 319 und 319b auch die weiteren Vorschriften der AP-VO zu beachten. Mit Blick auf die Beurteilung, ob ein Ausschlussgrund von dem betreffenden AP selbst oder einem Netzwerkmitglied erfüllt wird – und daran anknüpfend die Frage der AP-Unabhängigkeit – ist festzuhalten, dass der Anwendungsbereich von Art. 5 der AP-VO (Verbot der Erbringung von Nichtprüfungsleistungen) deutlich über die Vorgaben des § 319b hinausgeht. Es kommt hierbei nicht nur auf die zu prüfende PIE, sondern auch auf deren MU oder von der PIE beherrschte UN an. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese anderen UN selbst auch PIE sind oder nicht (vgl. BilR-Komm. (2024), § 319b HGB, Rn. 17f.).
Rn. 14
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der typische Fall für die von § 319b erfasste Konstellation ist, dass ein Mitglied eines Netzwerks i. S. v. § 319b Abs. 1 Satz 3 des AP in dem von diesem geprüften UN beratend tätig ist (vgl. Inwinkl/Kortebusch/Schneider, DK 2008, S. 215 (221); BilMoG-HB (2009), Kap. XXVI, S. 625 (647)). Mit § 319b werden Prüfer und Netzwerkmitglied also zu einer Einheit.
2. Beurteilung der Einflussnahme
Rn. 15
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bezüglich der möglichen Ausschlussgründe im Netzwerk ist danach zu differenzieren, ob die Vermutung der Besorgnis der Befangenheit widerlegbar (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 17) oder unwiderlegbar (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 18ff.) angenommen wird (vgl. BilR-Komm. (2024), § 319b HGB, Rn. 2). Maßstab für diese Frage sind regelmäßig Art und Intensität, wie das Netzwerkmitglied Einfluss auf die betreffende AP nehmen kann (vgl. Bonner-HdR (2015), § 319b HGB, Rn. 17ff.) respektive welche Bedeutung die Tätigkeit des Netzwerkmitglieds für den Prüfungsgegenstand des AP besitzt. Von Befangenheit ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der AP in irgendeiner Form den Weisungen des Netzwerkmitglieds unterliegt (vgl. BilR-Komm. (2024), § 319b HGB, Rn. 21), wobei dies nach § 43 WPO ohnehin nur in engen Grenzen möglich ist. Für die Praxis sind daher vielmehr rechtliche und faktische Einflussnahmemöglichkeiten relevant (bspw. Unterordnung in einer Holdingstruktur oder auch die Mitwirkung an zentralen Gegenständen der Konzern-AP, wie die Erstellung von Reporting Packages o. Ä.; vgl. auch Bonner HGB-Komm. (2022), § 319b, Rn. 56ff.). Aus der Formulierung zeigt sich, dass es auf die bloße Möglichkeit ankommt, dass das Netzwerkmitglied Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung nehmen kann – nicht auf die tatsächliche Ausübung dieser Möglichkeit (vgl. BilR-HB (2018), § 319b HGB, Rn. 30).
Rn. 16
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Zunächst besteht bei Vorliegen von Netzwerkverflechtungen ebenso wie der Erbringung bestimmter verbotener Nichtprüfungsleistungen durch ein Netzwerkmitglied die Vermutung der Befangenheit des AP. Der betreffende AP hat die Pflicht, nachzuweisen, warum sein Netzwerkmitglied gerade keinen Einfluss auf die AP nehmen kann (vgl. Bonner-HdR (2015), § 319b HGB, Rn. 16). Dies muss zu Beginn einer Prüfung sowie auch kontinuierlich überwacht werden. Er muss zudem schriftlich begründen und somit dokumentieren, warum er – trotz Vorliegens eines "typischen" Befangenheitsgrunds – den konkreten Befangenheitsgrund widerlegen kann (als Bestandteil seiner Arbeitspapiere; vgl. BilR-Komm. (2024), § 319b HGB, Rn. 23; Bonner-HdR (2015), § 319b HGB, Rn. 34).
3. Widerlegbare Ausschlussgründe
Rn. 17
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 319b zufolge erfüllt ein AP mit Blick auf das Netzwerk die Ausschlusstatbestände im Einzelnen dann, wenn zwischen einem Mitglied seines Netzwerks und der zu prüfenden Gesellschaft einer oder mehrere der folgenden Tatbestände als erfüllt anzusehen sind (vgl. auch HdR-E, HGB § 319b, Rn. 5; überdies Bonner HGB-Komm. (2022), § 319b, Rn. 51ff.; mit einer tabellarischen Übersicht auch Beck Bil-Komm. (2024), § 319b HGB, Rn. 15ff.; BilR-HB (2018), § 319b HGB, Rn. 29ff.):
- Besorgnis der Befangenheit gemäß § 319 Abs. 2 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 22ff.),
- Vorliegen wesentlicher finanzieller Interessen gemäß § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 25),
- Übernahme bestimmter Funktionen in dem zu prüfenden UN gemäß § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 26),
- Einsatz befangener Personen gemäß § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 27),
- tatbestandsmäßige Erfüllung durch Ehegatten oder Lebenspartner gemäß § 319 Abs. 3 Satz 2 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 28), oder
- tatbestandsmäßige Erfüllung durch WPG/BPG gemäß § 319 Abs. 4 (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 29).
Diese sechs vorgenannten Tatbestände "indizieren zwar eine Inha...