Rn. 8
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
§ 300 Nr. 3 AktG erfasst drei Fälle von BHV: den sog. Organschaftsvertrag (GAV und BHV, wobei es zwischenzeitlich – anders als bei der umsatzsteuerlichen Organschaft (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) – in körperschaft- (vgl. §§ 14, 17 KStG) wie gewerbesteuerlicher (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) Hinsicht einer organisatorischen Eingliederung in Gestalt eines BHV nicht mehr bedarf), den isolierten BHV sowie den an einen BHV gekoppelten Teil-GAV. Für den Begriff des BHV ist § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG (1. Fall) maßgeblich, so dass der Vertrag die Leitung des TU zum Gegenstand hat und diese dem anderen UN unterstellen muss (vgl. Hüffer-AktG (2020), § 291, Rn. 5ff.). Hintergrund für die Regelung in § 300 Nr. 3 AktG ist die bei BHV bestehende faktische Möglichkeit des herrschenden UN, infolge seines Weisungsrechts (z. B. durch entsprechende Verrechnungspreise) unabhängig vom Bestehen eines GAV Gewinne auf sich zu verlagern (vgl. ADS (1997), § 300 AktG, Rn. 47; Hüffer-AktG (2020), § 300, Rn. 12; KK-AktG (2004), § 300, Rn. 21).
Rn. 9
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Beim BHV mit Gewinnabführungsabrede (Verknüpfung von GAV und BHV) ergibt sich aus § 300 Nr. 3 AktG i. V. m. § 300 Nr. 1 AktG, dass es bei der für den GAV geltenden Rücklagendotierung verbleibt (vgl. ganz h. M. Hüffer-AktG (2020), § 300, Rn. 14; MünchKomm. AktG (2020), § 300, Rn. 27; a. A. Mylich, AG 2016, S. 527 (534f.)). In diesem Fall bleibt unbefriedigend, dass durch die Leitungsmacht das fiktive Jahresergebnis so beeinflusst werden kann, dass dem gesetzgeberischen Ziel nicht wirklich Folge geleistet wird (zu Überlegungen de lege ferenda vgl. ADS (1997), § 300 AktG, Rn. 49; Hüffer-AktG (2020), § 300, Rn. 14).
Rn. 10
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Für den Fall eines isolierten BHV verweist § 300 Nr. 3 AktG auf § 300 Nr. 1 AktG, so dass das TU den nach § 300 Nr. 1 AktG festgelegten Betrag, mindestens aber den Betrag nach § 150 Abs. 2 AktG, in die gesetzliche Rücklage einzustellen hat. Umstritten ist, ob die Dotierung einen (fiktiven) Jahresüberschuss voraussetzt. Die wohl noch h. M. bejaht dies, da die Verweisung von § 300 Nr. 3 AktG auf § 300 Nr. 1 AktG vollständig sei und § 300 Nr. 1 AktG für die gesetzliche Rücklage die Berechnung eines fiktiven Jahresüberschusses verlange (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 300 AktG, Rn. 22; KK-AktG (2004), § 300, Rn. 20, jeweils m. w. N.). Eine derweil zunehmend vertretene Ansicht lehnt dies indes zutreffenderweise ab (vgl. ADS (1997), § 300 AktG, Rn. 53; AktG-GroßKomm. (2005), § 300, Rn. 52f.; Hüffer-AktG (2020), § 300, Rn. 13; MünchKomm. AktG (2020), § 300, Rn. 29ff.), da ein fiktiver Jahresüberschuss anders als im Fall des § 300 Nr. 1 AktG bei einem isolierten BHV praktisch gar nicht ermittelt werden kann.
Rn. 11
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Für den eher seltenen Fall eines BHV mit Teilgewinnabführungsabrede ist die Auslegung von § 300 Nr. 3 AktG und sein Verweis auf § 300 Nr. 2 AktG umstritten. Klar ist zunächst, dass nicht § 150 Abs. 2 AktG, sondern § 300 Nr. 2 AktG für die Rücklagendotierung anzuwenden ist. Nach einer Ansicht soll darüber hinaus und daneben § 300 Nr. 1 AktG Anwendung finden (vgl. AktG-GroßKomm. (2005), § 300, Rn. 54; Emmerich/Habersack (2020), § 300 AktG, Rn. 21; Hüffer-AktG (2020), § 300, Rn. 15; KK-AktG (2004), § 300, Rn. 19; a. A. ADS (1997), § 300 AktG, Rn. 55; Havermann, WPg 1966, S. 90 (96)). Dies ist jedoch abzulehnen, zumal bei wortlautgetreuer Auslegung ein Verweis nur auf § 300 Nr. 2 AktG und nicht auf § 300 Nr. 1 AktG erfolgt.