Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 214
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Die obigen Ausführungen verdeutlichen, dass mit Ausnahme des Falls einer Kuppelproduktion vom Grundsatz her eine Abgrenzung von EK und GK möglich ist. In praxi ergibt sich allerdings in der Abgrenzung von EK und GK ein Unschärfebereich; denn aus reinen Praktikabilitätsüberlegungen heraus werden einzelne Kostenarten nicht entsprechend dem Verursachungsprinzip den Kostenträgern direkt zugerechnet, sondern quasi als GK behandelt. "Unechte Gemeinkosten könnten für die betrachtete Bezugsgröße direkt erfasst und ihr als Einzelkosten zugerechnet werden. Die Unternehmung führt bei ihnen jedoch keine direkte Erfassung durch" (Schweitzer et al. (2016), S. 539).
Je weiter der Unschärfe- und gleichzeitig Vereinfachungsbereich dieser unechten GK gezogen wird, umso mehr wird der tatsächliche Kostencharakter verfälscht wiedergegeben. Entsprechend größer war vor BilMoG der Bereich der nicht aktivierungspflichtigen HK. Das aber bedeutete gleichzeitig, dass dem Genauigkeitsgrad einer Kostenrechnung eine erhebliche Bedeutung bei der Bestimmung der bilanziellen Untergrenze für die HK zukam (vgl. auch HdR-E, HGB § 255, Rn. 166f.).
Rn. 215
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Finden in einem UN die Divisions- oder Äquivalenzziffernkalkulation Anwendung, wird im Rahmen dieser Kalkulationsverfahren keine Trennung in EK und GK vorgenommen. Da dem UN dann die Höhe der EK unbekannt ist, konnte es keinen Gebrauch von der Bewertungsmöglichkeit machen, VG in Höhe der EK als Wertuntergrenze anzusetzen. Wollte ein UN gleichwohl eine Bewertung zu EK vornehmen, musste es eigens für bilanzielle Zwecke in einer Sonderrechnung eine Trennung in EK und GK vornehmen. Auf jene UN, die z. B. eine Divisions- oder Äquivalenzziffernkalkulation praktizieren und gleichwohl eine Bewertung zu EK vornehmen wollten, kam somit allein aufgrund der handelsbilanziellen Bestandsbewertung ein nicht unbedeutender Mehraufwand zu.
Rn. 216
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Unter Berufung auf den Wesentlichkeitsgrundsatz konnte bei einer Trennung von EK und GK nicht der letzte Genauigkeitsgrad gefordert werden. Gleichwohl sollte der Vereinfachungsbereich nicht zu weit gezogen werden, da mit der Bestimmung des Genauigkeitsgrades auch Einfluss auf die Vermögens- und Ertragslage genommen werden konnte. Die dem Bilanzierenden dadurch gewährten Spielräume sollten durch das BilMoG eliminiert werden, so dass nun infolge der erweiterten Wertuntergrenze die Abgrenzung der EK i. d. R. keine Auswirkungen mehr auf diese haben sollte. Probleme können sich allerdings weiterhin ergeben, wenn infolge mangelhafter Kostenrechnungsdaten eine Trennung zwischen produktionsbezogenen und damit aktivierungspflichtigen und lediglich aktivierungsfähigen GK nicht möglich ist oder sich durch die divergierende Zurechnung der GK eine andere Wertuntergrenze ergibt.
Rn. 217
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Ein besonderes Problem stellen jene Kostenarten dar, die nur in bestimmten Intervallen stückbezogene EK darstellen. Nimmt man etwa einen Akkordlohn-AN und betrachtet die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers, so lässt sich feststellen, dass diese nur bis zu einer bestimmten Höhe des Bruttolohns des AN in Abhängigkeit von der Anzahl der einzelnen Leistungseinheiten entstehen. Wie sollen diese Kostenarten bei der praktischen Ermittlung der HK erfasst werden, wenn die Rentenbemessungsgrundlage überschritten wird? Bei exakter Kostenzurechnung ist so vorzugehen, dass bis zum Erreichen der Bemessungsgrenze die Sozialversicherungsbeiträge pro Leistungseinheit konstant sind. Danach sind die insgesamt gezahlten Beträge auf die volle Zahl der Leistungseinheiten umzulegen, so dass ihr Anteil an den HK der einzelnen Leistungseinheit abnimmt. Eine Vereinfachungsregelung i. d. S., dass auch bei Überschreiten der Bemessungsgrundlage eine Weiterzahlung der Sozialversicherungsbeiträge unterstellt wird, ist wegen der Überschreitung der Istkosten nicht möglich. In diesem Fall dürfte es zu rechtfertigen sein, die Sozialversicherungskosten in Gänze als GK anzusetzen, zumal sie in dieser Situation ihren Charakter als EK verloren haben und zu GK geworden sind.
Rn. 218
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Ein weiteres Problem bei der Bestimmung der EK stellt – wie unter HdR-E, HGB § 255, Rn. 213, angeführt – die Kuppelproduktion dar (vgl. Bachem, BB 1997, S. 1037 (1039ff.)). UN, die lediglich Kuppelproduktion betreiben, brauchten bei einer wörtlichen Auslegung des § 255 Abs. 2 (a. F.) unter Beachtung des Einzelbewertungsgrundsatzes keine HK in Ansatz zu bringen, da es bei einer Kuppelproduktion ex definitione keine EK gibt. Das aber kann der Gesetzgeber bei der Bedeutung der Kuppelproduktion in einzelnen Wirtschaftszweigen (z. B. Chemie- oder Mineralölindustrie) nicht beabsichtigt haben (vgl. Hartung, BB 1997, S. 1627 (1632)). Eine solche Lösung wäre auch mit dem in § 264 Abs. 2 Satz 1 verankerten Postulat der Tatsachenentsprechung unvereinbar gewesen, wonach die VFE-Lage zutreffend dargestellt werden soll. Ein ...