Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 145
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Diese Rücklage, die bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu bilden ist, "darf aus vorhandenen frei verfügbaren Rücklagen gebildet werden" (§ 272 Abs. 4 Satz 3). Bedingt durch den Zweck der Rücklage, die Sicherstellung einer Ausschüttungssperre in Höhe der aktivierten Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN, dürfen zu ihrer Dotierung grds. nur solche EK-Bestandteile herangezogen werden, die ansonsten prinzipiell zur Ausschüttung an die Anteilseigner zur Verfügung stehen. Auch wenn sich § 272 Abs. 4 Satz 3 lediglich auf eine zulässige Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN aus frei verfügbaren "Rücklagen" bezieht, deutet dieser Wortlaut lediglich auf die (auch mögliche) rechtliche Zulässigkeit der Dotierungsquelle "Rücklagen" hin, schließt aber andere Quellen (wie z. B. den Jahresüberschuss) nicht grds. aus. Damit kann eine Einstellung aus folgenden Quellen vorgenommen werden:
(1) |
Jahresüberschuss, |
(2) |
Gewinnrücklagen, soweit diese frei verfügbar sind, |
(3) |
Kap.-Rücklage, soweit diese frei verfügbar ist, |
(4) |
Gewinnvortrag. |
Rn. 146
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Bei der Bildung aus dem Jahresüberschuss ist zu beachten, dass die Einstellung in die gesetzliche Rücklage gemäß § 150 Abs. 2 AktG der Einstellung in die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN vorgeht, da die für die gesetzliche Rücklage zu verwendenden Teile des Jahresüberschusses nicht mehr als frei verfügbar angesehen werden können (vgl. HdJ, Abt. III/1 (1999), Rn. 235; Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (92)).
Rn. 147
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Möglichkeit, die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN aus freien Gewinnrücklagen zu bilden, ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Formulierung (vgl. § 272 Abs. 4 Satz 3). In diesem Fall erfolgt die Einstellung durch Umbuchung aus den freien Rücklagen in die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN in der Bilanz ohne Berührung der GuV (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 302; Beck-HdR, B 231 (2011), Rn. 113; Bonner-HdR (2019), § 272 HGB, Rn. 104; Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (90f.), m. w. N.). Nicht zulässig dürfte es sein, die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN durch die HV dotieren zu lassen, nachdem der Bilanzgewinn zuvor durch Auflösung freier Gewinnrücklagen entsprechend erhöht worden ist (vgl. Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (91)), weil die Rücklage gemäß § 270 Abs. 2 bereits bei der Aufstellung des JA zu bilden ist (vgl.HdR-E, HGB § 270). Eine Umbuchung aus einer zweckgebundenen satzungsmäßigen Rücklage respektive zweckgebundenen anderen Gewinnrücklagen in die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN scheidet grds. aus, da diese Rücklagenteile nicht als frei verfügbar anzusehen sind.
Rn. 148
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Auch die Verwendung frei verfügbarer Teile der Kap.-Rücklage zur Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN ist durch den Gesetzeswortlaut gedeckt. Bei einer AG/KGaA/SE ist dabei zu beachten, dass die nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 gebildeten Kap.-Rücklagen der gesetzlichen Bindung des § 150 Abs. 3f. AktG unterliegen und somit für eine Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN nicht zur Verfügung stehen. Diese Verwendungssperre gilt nicht für eine GmbH. Ebenso dürfte es für alle KapG zulässig sein, die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN durch eine Umbuchung aus einer nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 gebildeten Kap.-Rücklage zu speisen, sofern diese keiner Verwendungsbeschränkung (z. B. durch die Satzung) unterliegt.
Rn. 149
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Als weitere Möglichkeit der Bildung einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN kommt eine Dotierung aus einem Gewinnvortrag des VJ in Betracht. Diese Vorgehensweise erfordert jedoch eine entsprechende Darstellung der Rücklagendotierung in der GuV oder im Anhang (vgl. § 158 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Eine nur die Bilanz berührende Umbuchung ist nicht zulässig, da der Gewinnvortrag grds. in den Verfügungsbereich der HV fällt (vgl. § 174 AktG; sodann Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (91)).
Rn. 150
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Strittig ist, wann bei der Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN eine Verwendung des Jahresergebnisses vorliegt, so dass die Bilanz nur noch unter Berücksichtigung der Ergebnisverwendung aufgestellt werden kann (vgl. hierzu HdR-E, HGB § 268, Rn. 1ff.). Wird die Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN aus dem Jahresüberschuss vorgenommen, ist eindeutig eine Verwendung des Jahresergebnisses gegeben. Dies gilt auch für eine Dotierung aus dem Gewinnvortrag, weil in diesem Fa...