Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
I. Überblick
Rn. 17
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Das Bilanzierungsverbot sämtlicher selbst geschaffener immaterieller VG des AV gemäß § 248 Abs. 2 (a. F.) sollte den Ansatz besonderer unsicherer Werte in der Bilanz verhindern. Da gewisse selbst erstellte immaterielle Anlagegegenstände sowohl in ihrer Existenz als auch der Höhe ihres Wertes nur schwierig zu objektivieren sind, nahm § 248 Abs. 2 (a. F.) sie von der konkreten Aktivierungsfähigkeit aus. Die Vorschrift schaffte also mit Rücksicht auf die Rechenschaftsfunktion des JA einen Konsens zwischen den im Fall der selbst geschaffenen immateriellen VG des AV divergierenden Grundsätzen der Objektivität einerseits und Vollständigkeit andererseits (vgl. HdR-E, Kap. 4, Rn. 61ff., 72). Das Aktivierungsverbot stellte mithin den gesetzlich vorgeschriebenen Kompromiss zwischen diesen beiden divergierenden GoB dar.
Rn. 17a
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung der Aufwendungen für Organisation, Schulung und Fortbildung sowie FuE im Gegensatz zu materiellen Anlagen gewinnt die Bilanzierung selbst geschaffener immaterieller VG des AV immer mehr an Einfluss auf die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage betreffender UN. Diese Auswirkungen angesichts des Postulats des § 264 Abs. 2 auch bei angemessener Würdigung des dem § 248 Abs. 2 (a. F.) zugrunde liegenden Objektivierungsgedankens anzuerkennen, fiel zunehmend schwer (vgl. dazu bereits KK-AktG (1991), § 240 HGB, Rn. 9). Daher hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, i. R.d. sog. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.09.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) § 248 Abs. 2 (a. F.) teilweise aufzuheben und ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV einzuführen. Hierdurch soll das Informationsniveau des handelsrechtlichen JA angehoben und es UN somit ermöglicht werden, ihre Außendarstellung durch einen höheren EK-Ausweis zu verbessern (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 106f.; a. A. Moxter, DB 2008, S. 1514 (1516)). Für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle VG des AV besteht indes weiterhin ein Bilanzierungsverbot (vgl. HdR-E, HGB § 248, Rn. 27ff.).
Rn. 17b
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Am 30.10.2015 hat das DRSC den – zuletzt am 22.09.2017 geänderten – Deutschen Rechnungslegungs Standard (DRS) 24 "Immaterielle Vermögensgegenstände im Konzernabschluss" verabschiedet. DRS 24, der am 23.02.2016 (bzw. am 04.12.2017) durch das BMJV bekannt gemacht wurde, war erstmalig für GJ anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 begannen. DRS 24 greift die bislang vornehmlich im Schrifttum erfolgte Auslegung der handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzierung selbst geschaffener immaterieller VG mit dem Ziel auf, eine einheitliche Anwendung der Vorschriften sicherzustellen sowie die Informationsfunktion des KA zu stärken. Die Anwendung des DRS 24 auch auf den JA wird seitens des DRSC empfohlen (vgl. DRS 24.6; zustimmend Bonner-HdR (2017), § 248 HGB, Rn. 12; HdR-E, Kap. 1, Rn. 491f.; Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 9; kritisch hierzu Wulf/Lange/Niemöller, BB 2015, S. 1835; BeckOGK-HGB (2021), Rn. 81f.).
II. Aktivierungszeitpunkt
Rn. 18
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Nach der RegB zum BilMoG hat eine Aktivierung bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts – entgegen der hier vertretenen Auffassung – bereits ab dem Zeitpunkt zu erfolgen, ab dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein immaterieller VG des AV entsteht (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 60f.; PwC-BilMoG (2009), Abschn. E, Rn. 42; Petersen/Zwirner (2009), Kap. VI, S. 390 (392)). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde seitens des Rechtsausschusses indes vorgebracht, dass eine Aktivierung erst in Frage kommt, sofern die "Vermögensgegenstandseigenschaft des selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des AV bejaht werden kann" (BT-Drs. 16/12407, S. 85). Damit UN Entwicklungskosten aktivieren dürfen, müssen also die Kriterien eines VG erfüllt sein (vgl. HdR-E, HGB § 248, Rn. 19ff.), d. h., es kommt in keinem Fall zum Ansatz eines "Noch-nicht-Vermögensgegenstands" (vgl. Sommerhoff (2010), S. 72ff.; DRS 24.45(b); BilMoG-HB (2009), Kap. XI, S. 263 (272); Theile, WPg 2008, S. 1064 (1067); Rohleder, DB 2016, S. 1645 (1647); Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 68; a. A. wohl Beck Bil-Komm. (2022), § 247 HGB, Rn. 277). Bei Entwicklungsprojekten können die Merkmale eines VG bereits vorliegen, wenn sich dieser noch in der FuE-Phase befindet, also noch nicht den angestrebten (fertig gestellten) VG verkörpert (vgl. so nun ausdrücklich auch DRS 24.45; zudem HdR-E, HGB § 248, Rn. 19ff.; Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 58, 69; kritisch hierzu BeckOGK-HGB (2021), Rn. 159). Eine Aktivierung erst zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entwicklungsphase würde auch dem vom Gesetzgeber eingeführten Aktivierungswahlrecht entgegenstehen (vgl. so auch Laubach/Kraus/Bornhofen, DB 2009, Beilage Nr. 5 zu Heft 23, S. 19 (22)). Falls sich der selbst geschaffene immaterielle VG noch in der Entwicklung befi...