Tz. 56

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

§ 93 Abs. 3 AktG zählt eine Reihe besonderer Tatbestände auf, in denen die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft "namentlich zum Ersatz verpflichtet" sind. Es sind durchweg Verletzungen wichtiger Vorschriften des AktG, die die Kap.-Grundlagen und den Vermögensbestand der AG sichern sollen. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Verstöße:

 

Tz. 57

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(1) Nr. 1: Rückgewähr von Einlagen an die Aktionäre. Erfasst sind Verstöße gegen § 57 Abs. 1 AktG einschließlich der einen Abfluss liquider Mittel bedeutenden Vergabe von Darlehen an Aktionäre ohne hinreichend werthaltigen Rückerstattungsanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2008, II ZR 102/07, NJW 2009, S. 850ff.; KK-AktG (2010), § 93, Rn. 126) und der Übernahme des Prospekthaftungsrisikos durch die Gesellschaft bei der Platzierung von Altaktien an der Börse, wenn der Altaktionär die Gesellschaft nicht von der Prospekthaftung freistellt (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2011, II ZR 141/09, NJW 2011, S. 2719 (2722)), sowie Rückzahlungen an die Aktionäre bei einer vereinfachten Kap.-Herabsetzung entgegen § 230 AktG.
 

Tz. 58

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(2) Nr. 2: Zahlung von Zinsen oder Gewinnanteilen an die Aktionäre (vgl. §§ 57 Abs. 2f., 58 Abs. 4, 60 und 233 AktG).
 

Tz. 59

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(3) Nr. 3: Zeichnung, Erwerb, Inpfandnahme oder Einzug eigener oder diesen gleichstehender Aktien (vgl. §§ 56, 7171e und 237239 AktG).
 

Tz. 60

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(4) Nr. 4: Ausgabe von (Inhaber-)Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags (vgl. § 10 Abs. 2 AktG). Erfasst ist ferner die Leistung einer nach § 27 Abs. 2 AktG unwirksamen Sacheinlage statt vorgesehener Bareinlage (vgl. RG, Urteil vom 30.11.1938, II 39/38, RGZ 159, S. 211 (228ff.); BGH, Urteil vom 20.09.2011, II ZR 234/09, AG 2011, S. 876).
 

Tz. 61

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(5) Nr. 5: Verteilung von Gesellschaftsvermögen (vgl. §§ 57 Abs. 3, 225 Abs. 2, 230, 233, 237 Abs. 2 und 271f. AktG). Erfasst sind ferner Verstöße gegen § 61 AktG sowie verschleierter Verteilungen von Gesellschaftsvermögen in sonstiger Weise (vgl. AktG-GroßKomm. (1971), § 93, Rn. 26; AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 334).
 

Tz. 62

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(6) Nr. 6: Aufgehoben seit dem 01.01.2021 durch das SanInsFoG. Der Haftungstatbestand des § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG (a. F.) erfasste bislang Zahlungen entgegen den Zahlungsverboten aus § 92 Abs. 2 AktG (a. F.), der durch das SanInsFoG aus dem Aktiengesetz gestrichen wurde. Eine dem bisherigen § 92 Abs. 2 AktG vergleichbare Regelung findet sich seitdem – einheitlich für juristische Personen, die der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO unterliegen – in § 15b InsO. Konsequenterweise ergibt sich die bislang in § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG (a. F.) geregelte Haftung der Vorstandsmitglieder nunmehr (in modifizierter Form) aus § 15b Abs. 4 InsO (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 152; § 92 AktG, Rn. 2). Auf Zahlungen, die vor dem 01.01.2021 vorgenommen worden sind, sind die §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG (a. F.) allerdings gemäß Art. 103m EGInsO weiterhin anzuwenden. Für solche "Altfälle" gilt: Verboten war grds. die Zahlung nach Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG (a. F.)). Das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG (a. F.) galt bereits ab Eintritt der Insolvenzreife und nicht erst ab dem Ende der Insolvenzantragsfrist (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009, II ZR 280/07, WM 2009, S. 851). Die Vermutung, dass ein Vorstand bei Zahlungen in der Insolvenzsituation nicht mit erforderlicher Sorgfalt gehandelt hat, konnte dieser nach § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG (a. F.) durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm bewirkten Leistungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren. Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG (a. F.) waren bereits vor Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung solche Zahlungen an Aktionäre verboten, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht erkennbar.
 

Tz. 63

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(7) Nr. 7: Gewährung von Vergütungen an AR-Mitglieder entgegen den Vorgaben des AktG (vgl. §§ 113f. AktG).
 

Tz. 64

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(8) Nr. 8: Gewährung von Krediten (vgl. §§ 89 und 115 AktG).
 

Tz. 65

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(9) Nr. 9: Ausgabe von Bezugsaktien bei einer bedingten Kap.-Erhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder der vollen Leistung des Gegenwerts (vgl. § 199 AktG).
 

Tz. 66

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§ 93 Abs. 3 AktG enthält für die dort aufgeführten besonderen Tatbestände eine eigene Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz. Für diese Anspruchsgrundlage gelten im Grundsatz dieselben Voraussetzungen wie für die Anspruchsgrundlage des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, insbesondere genügt jedes Verschulden (vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 30ff.). Gegenüber § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG enthält § 93 Abs. 3 AktG eine Präzisierung. § 93 Abs....

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