Dr. Raphael Eichenlaub, Prof. Dr. Claus-Peter Weber
Rn. 20
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Im Steuerrecht ist ebenso eine Pflicht zur Vorlegung von Urkunden kodifiziert, die sowohl gegenüber den Finanzbehörden (vgl. § 97 AO) als auch den Finanzgerichten (vgl. § 76 FGO) besteht. Die AO kennt dabei in diesem Kontext für steuerrechtliche Zwecke weit über die §§ 258ff. hinausgehende Vorlagepflichten. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung der Finanzbehörden zur Ermittlung eines Sachverhalts (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO) bedient sich die Finanzbehörde den Beweismitteln nach § 93 AO. Konkret wird in § 97 AO die Vorlage der beweiserheblichen Urkunden durch Beteiligte und Dritte geregelt (vgl. zu Sondervorschriften bezüglich der Bilanz und GuV § 60 EStDV). Gemäß § 97 Abs. 1 AO ist die Finanzbehörde grds. berechtigt, von Beteiligten sowie anderen Personen die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zwecks Einsicht und Prüfung zu verlangen.
Rn. 21
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Seit der Streichung der sog. Subsidiaritätsklausel (vgl. § 97 Abs. 2 Satz 1 AO (a. F.)) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, S. 1809ff.) stehen das Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO sowie das Vorlageverlangen nach § 97 Abs. 1 AO als gleichwertige Ermittlungsinstrumente nebeneinander. Auslöser für besagte Gesetzesnovellierung war dabei die BFH-Rspr. zu § 97 Abs. 2 Satz 1 AO (a. F.), nach der ein isoliertes Vorlageverlangen selbst über Kontoauszüge zu einem exakt bestimmten Konto ohne vorheriges Auskunftsersuchen grds. unzulässig war (vgl. BFH, Urteil vom 24.02.2010, II R 57/08, NJW 2010, S. 1997f.; BFH, Urteil vom 30.03.2011, I R 75/10, ZIP 2011, S. 1353f.). Daraus folgte, dass die Finanzbehörde i. d. R. auch dann zuerst auf ein Auskunftsersuchen gegenüber dem Kreditinstitut zurückgreifen musste, wenn ihr die konkrete Geschäftsbeziehung bereits bekannt war und sie nur die Einsichtnahme in Kontoauszüge oder vergleichbare Dokumente begehrte. Dies wiederum verdeutlichte, dass die Aufhebung dieser speziellen Eingriffsschranke längst überfällig war. Fortan also kann die Finanzbehörde infolge der Gleichstellung von Auskunftsersuchen und Vorlageverlangen i. R.e. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtenden Ermessensentscheidung nunmehr darüber befinden, welches der beiden Beweismittel ihr im Einzelfall zweckmäßiger erscheint (vgl. speziell dazu zunächst AO-Komm. (2014), § 97, Rn. 10f.; sodann AO/FGO-Komm. (2013), § 97 AO, Rn. 20ff.); ein vorheriges Auskunftsersuchen ist damit nicht mehr erforderlich.
Rn. 22
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
In Verfahren vor Finanzgerichten ist die Vorlegungspflicht nach § 97 AO kraft Verweises in § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO entsprechend anzuwenden. Der Vorrang der Auskunftspflicht gemäß § 97 Abs. 2 AO gilt jedoch in finanzgerichtlichen Verfahren nicht (vgl. ADS (1995), § 258, Rn. 18).