Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
I. Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 Satz 2
Rn. 27
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Neben dem Verbot des Ansatzes von Aufwendungen für die Gründung des UN, für den Abschluss von Versicherungsverträgen und die Beschaffung des EK gemäß § 248 Abs. 1 enthält § 248 Abs. 2 Satz 2 ein weiteres für alle Kaufleute geltendes Ansatzverbot hinsichtlich selbst geschaffener Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbarer immaterieller VG des AV. Erfasst werden von dem Bilanzierungsverbot damit selbst geschaffene immaterielle VG, die dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb des Kaufmanns dauernd zu dienen, und die daher im AV auszuweisen wären (vgl. § 247 Abs. 2). Nicht betroffen von dem Ansatzverbot sind dagegen entgeltlich oder unentgeltlich erworbene immaterielle VG des AV (vgl. zur Abgrenzung zwischen Selbsterstellung und Erwerb HdR-E, HGB § 248, Rn. 28ff.) und solche des UV, auch wenn sie selbst erstellt wurden; für diese gilt als Ausfluss des Vollständigkeitsgebots (vgl. § 246 Abs. 1) Ansatzpflicht.
Rn. 27a
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Regelung in § 248 Abs. 2 Satz 2 schränkt die nach den allg. Aktivierungsgrundsätzen (vgl. dazu im Einzelnen HdR-E, Kap. 4, Rn. 99; HdR-E, HGB § 246, Rn. 11) und damit an sich nach dem Vollständigkeitsgebot gemäß § 246 Abs. 1 in der Bilanz anzusetzenden VG ein, postuliert also eine Durchbrechung des an sich gebotenen vollständigen Vermögensausweises. Den abstrakt aktivierungsfähigen Gütern (vgl. dazu Lamers (1981), S. 226) fehlt die konkrete Aktivierungsfähigkeit. Begründet wird das partielle Ansatzverbot gemäß § 248 Abs. 2 Satz 2 damit, dass sich Aufwendungen für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder für vergleichbare immaterielle VG des AV diesen "nicht zweifelsfrei unmittelbar zuweisen" (BT-Drs. 16/12407, S. 85), mithin vom GoF abgrenzen lassen.
Rn. 27b
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Das Markenrecht schützt alle Zeichen, die geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines UN von denjenigen anderer UN zu unterscheiden (vgl. § 3 MarkenG). Da der Wert einer Marke nicht zweifelsfrei vom originären GoF abzugrenzen ist, unterliegen bspw. Werbeausgaben einem Aktivierungsverbot. Sie kommen stets nicht nur einer Marke, sondern dem UN als Ganzes zugute.
Rn. 27c
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Begriff des Drucktitels ist in Deutschland zwar nicht eindeutig und insoweit abschließend definiert. Mindestens aber lässt sich hierunter der Schutz des Titels, der Gestaltung sowie der Aufmachung einer Zeitschrift bzw. Zeitung verstehen.
Rn. 27d
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Unter einem Verlagsrecht versteht man das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht von Literatur bzw. Tonaufnahmen. Das Verlagsrecht liegt grds. beim Urheber des Werkes (vgl. §§ 15ff. UrhG), kann indes von diesem bspw. an den Verleger abgetreten werden (§ 1 VerlG). Nach § 7 UrhG liegt das Verlagsrecht immer beim Schöpfer des Werkes, der eine natürliche Person sein muss. Somit ist fraglich, ob ein Verlagsrecht von einem UN überhaupt selbst geschaffen werden kann (vgl. so auch Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 89; BeckOGK-HGB (2021), Rn. 145). In jedem Fall sieht § 248 Abs. 2 Satz 2 ein explizites Bilanzierungsverbot für selbst geschaffene Verlagsrechte vor.
Rn. 27e
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
In Kundenlisten werden Namen, Adressen, Kaufverhalten, Kundenwünsche etc. von aktuellen und ggf. auch potenziellen Kunden festgehalten. Kundenbeziehungen können vertraglich ausgestaltet sein (z. B. regelmäßige garantierte Abnahme einer festgelegten Menge) oder auf losen Verbindungen bestehen (einmaliger Kauf oder reines Kaufinteresse durch unverbindliche Anfrage). Eine Kundenliste dokumentiert den Kundenstamm bzw. die Kundenbeziehung und kann zur gezielten Kundenansprache i. R.v. Marketingmaßnahmen genutzt werden. Kundenbeziehungen unterliegen dem Aktivierungsverbot, da sich die mit ihnen verbundenen Ausgaben nicht eindeutig einem bestimmten immateriellen VG zuordnen lassen und sich somit nicht vom GoF abgrenzen lassen.
Rn. 27f
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Begriff der vergleichbaren immateriellen VG des AV ist weit auszulegen, um dem Zweck des Aktivierungsverbots gerecht zu werden (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 110; ausführlich dazu Sommerhoff (2010), S. 92ff.; siehe auch Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 86). In Zweifelsfällen sind daher die angefallenen Ausgaben entsprechend dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip aufwandswirksam zu erfassen (vgl. so auch PwC-BilMoG (2009), Abschn. E, Rn. 83; DRS 24.57). In der Literatur wird z. T. die Meinung vertreten, dass gewerbliche Schutzrechte (wie Geschmacks- und Gebrauchsmusterrechte), Urheberrechte und Internet-Domain-Namen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 248 HGB, Rn. 24) sowie VG mit Vertriebscharakter (vgl. PwC-BilMoG (2009), Abschn. E, Rn. 82; WP-HB (2021), Rn. F 58) als vergleichbar anzusehen sind und somit unter das Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB fallen (vgl. ähnlich nun auch BeckOGK-HGB (2021), Rn. 148). Dies entspricht – wie nachstehend noch darzulegen sein wird – nicht der hier vertretenen Au...