Rn. 76

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Die Rechtsverhältnisse eines herrschenden UN zu abhängigen Gesellschaften richten sich nach dem Recht der abhängigen Gesellschaft ("allseitige Kollisionsnorm"; vgl. KK-AktG (2004), Vorbemerkungen zu § 291, Rn. 184; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 49; Einsele, ZGR 1996, S. 40; Grossfeld (1995), S. 97f.). Eine deutsche abhängige Gesellschaft kann sich damit nicht nur auf die §§ 311ff. AktG, sondern bei Vorliegen derer Voraussetzungen auch auf den Schutz über die Grundsätze des qualifiziert faktischen Aktienkonzerns berufen. Die §§ 311ff. AktG greifen aber nur zugunsten der inländischen abhängigen AG, KGaA bzw. SE sowie zugunsten ihrer Aktionäre und Gläubiger. Abhängige Gesellschaften mit Sitz im Ausland werden auch dann nicht erfasst, wenn sie von einer inländischen Gesellschaft beherrscht werden (vgl. zur Qualifikation der Konzernhaftung i. R.d. im Jahre 1968 erstmalig abgeschlossenen Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (EuGVÜ) Kulms, IPRax 2000, S. 488ff.; jenes Übereinkommen wurde in der Folgezeit beständig weiter­entwickelt, zunächst 2001 in die sog. EuGVVO bzw. Brüssel I‐VO (EG) Nr. 44/2011 (ABl. EG, L 12/1ff. vom 16.01.2001) überführt, und schließlich 2012 durch eine neugefasste Brüssel Ia‐VO (EU) Nr. 1215/2012 (ABl. EU, L 351/1ff. vom 20.12.2012) ersetzt).

 

Rn. 77

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Auch bei grenzüberschreitenden UN-Verbindungen müssen die allg. Anwendungsvoraussetzungen beachtet werden. Der BHV mit einem ausländischen MU steht damit einem Schutz über die §§ 311ff. AktG entgegen. Grenzüberschreitende BHV werden ungeachtet ihrer steuerrechtlichen Problematik im international-privatrechtlichen Schrifttum als wirksam angesehen (vgl. BeckOGK-AktG (2022), Vorbemerkungen zu § 291, Rn. 51; MünchKomm. BGB (2021), IntHGesR, Rn. 705ff.; Bayer (1988), S. 142; Rundhagen/Strunk, RIW 1995, S. 664ff.; Feddersen (1998), S. 127ff.). Dienen sie der Beherrschung einer deutschen AG, KGaA bzw. SE, richten sich Wirksamkeit und Rechtsfolgen nach den §§ 291ff. AktG (vgl. MünchKomm. BGB (2021), IntHGesR, Rn. 714f.; KK-AktG (2004), Vorbemerkungen zu § 291 AktG, Rn. 191; BeckOGK-AktG (2022), Vorbemerkungen zu § 291, Rn. 51ff.; ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 10). Lässt sich der Schutz über diese Normen im Einzelfall nicht realisieren, wird auch der subsidiäre Rückgriff auf die §§ 311ff. AktG regelmäßig nicht weiterhelfen können (vgl. unklar ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 11). Unerheblich ist, ob und in welcher Form das inländische MU seinerseits von einer ausländischen Gesellschaft beherrscht wird. Auch in diesem Fall gelten im Verhältnis zum inländischen MU die §§ 311ff. AktG, die außerdem zusätzlich im Verhältnis zur ausländischen Konzernspitze greifen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?