Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 154
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Fall, dass ein Erwerb von Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN erfolgt, obwohl zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz nicht ausreichende frei verfügbare EK-Bestandteile zur Bildung der geforderten Rücklage vorhanden sind, ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Bei der Aufstellung des JA kann jedoch der Fall eintreten, dass nicht (mehr) genügend freie EK-Bestandteile zur Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN vorhanden sind, sofern
(1) |
ursprünglich, d. h. beim Erwerb der Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN ausreichend freie EK-Komponenten disponibel waren, diese zwischenzeitlich allerdings aufgezehrt wurden; |
(2) |
ein Erwerb trotz fehlender freier EK-Beträge vorgenommen wurde, wodurch – eine analoge Anwendung der Regelungen zum Erwerb eigener Anteile nach § 71 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 AktG, § 71a Abs. 1 Satz 2 AktG und § 71d Satz 2 AktG bzw. § 33 Abs. 2 und 3 GmbHG unterstellt – der Erwerb zwar rechtswidrig, aber dennoch wirksam ist (vgl. zum Ausweis auch HdR-E, HGB § 266, Rn. 92). |
Rn. 155
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Fraglich ist, ob auch in diesem Fall die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN in voller Höhe dotiert werden muss, selbst wenn dadurch ein Bilanzverlust entsteht oder sich ein bestehender Bilanzverlust erhöht, oder ob die Rücklage zunächst nur in dem Umfang zu bilden ist, wie frei verfügbares EK vorhanden ist und die vollständige Dotierung erst in den folgenden GJ erfolgt. Der mit der Rücklagenbildung verfolgte Zweck – nämlich das Errichten einer Ausschüttungssperre in Höhe des Betrags der erworbenen Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN – legt die zweite Vorgehensweise nahe; eine Ausschüttung kann nämlich nicht erfolgen, weil keine frei verfügbaren EK-Beträge vorhanden sind. Außerdem hat eine vollständige Dotierung der Rücklage zur Folge, dass der in das folgende GJ vorzutragende Verlust zu einer Auflösung der gesetzlichen Rücklage/Kap.-Rücklage gemäß § 150 Abs. 3f. AktG führen kann, worin eine Umgehung des Grundsatzes der ausschließlichen Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN aus frei verfügbaren EK-Bestandteilen gesehen werden kann (vgl. Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (92)). Gleichwohl dürfte angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 272 Abs. 4 Satz 2 ("ist ein Betrag einzustellen") nur eine vollständige Dotierung im Jahr des Erwerbs der Anteile zulässig sein, zumal ein Verstoß gegen die Passivierungspflicht dieser Rücklage die Nichtigkeit des JA (vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) zur Folge hat (vgl. auch HdJ, Abt. III/2 (1992), S. 14f.).