Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
I. Behandlung bei einer AG/KGaA/SE
1. Allgemeines und historische Entwicklung
Rn. 115
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
In der Vergangenheit (vor Inkrafttreten des BilMoG) hing die Bilanzierung erworbener eigener Aktien vom Erwerbszweck sowie der Verfügungsbefugnis des Vorstands (über die eigenen Aktien ab. Sie waren entweder zu aktivieren oder vom EK einschließlich den Gewinnrücklagen abzusetzen.
Rn. 116
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Nach altem Recht wurde zwischen den Einziehungsfällen (Absetzung vom EK einschließlich den Gewinnrücklagen) und den Wiederveräußerungsfällen (Aktivierung mit den AK) unterschieden (vgl. für eine ausführliche Darstellung der alten Rechtslage BeckOGK-AktG (2024), § 71, Rn. 239f.). Sowohl nach altem wie auch nach aktuellem Recht unterliegt der Erwerb eigener Aktien zum Schutz der Gläubiger des UN den Ausschüttungsschranken der Kap.-Erhaltung. Ein Erwerb ist nur mit Mitteln zulässig, die das UN auch als Dividende an die Aktionäre ausschütten könnte. Darunter fallen freie Gewinnrücklagen sowie andere JA-Posten, die in den Bilanzgewinn verwandelt werden können (nachfolgend auch als "freie Rücklagen" bezeichnet; vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 26). Anstelle der zuvor in den Veräußerungsfällen zu bildenden Rücklage, macht § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG die Zulässigkeit des Erwerbs nunmehr davon abhängig, dass die "Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden darf" (sog. fiktive Rücklage). Ist die fiktive Bildung der Rücklage in Höhe der Erwerbsaufwendungen zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht aus freien Rücklagen möglich, so ist das zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft wegen Gesetzesverstoßes unwirksam (vgl. § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG).
2. Erwerb eigener Aktien
Rn. 117
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Ab dem GJ 2010 (beginnend nach dem 31.12.2009) gelten die §§ 266, 272 in der durch das BilMoG geänderten Fassung (vgl. HdR-E, AktG § 71, Rn. 17). Nach § 272 Abs. 1a Satz 2 HGB sind eigene Aktien unabhängig vom Erwerbsgrund nicht mehr zu aktivieren, sondern in Höhe des Nennbetrags oder rechnerischen Werts in einer Vorspalte offen vom Grundkap. abzusetzen ((Nettomethode); vgl. auch HdR-E, HGB § 272, Rn. 51; BeckOK-HGB (2024), § 272, Rn. 32ff.; MünchKomm. HGB (2024), § 272, Rn. 21). Soweit die AK darüber hinaus gehen, sind sie mit den freien Rücklagen zu verrechnen. Angelehnt an die IFRS stellt sich der Erwerb eigener Aktien damit wirtschaftlich als Sonderfall einer Kap.-Herabsetzung dar (vgl. Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, S. 1640; MünchKomm. HGB (2024), § 272, Rn. 24). Diese Entkoppelung der RL-Vorschriften von der Kap.-Grenze gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG wird in Teilen der aktien- und bilanzrechtlichen Literatur als problematisch angesehen (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 272, Rn. 21, m. w. N.). Teilweise wird hierzu vertreten, dass analog zu § 237 Abs. 5 AktG der Nennbetrag der eigenen Aktien (der i. R.d. Nettomethode vom Grundkap. abgesetzt wurde) in die Kap.-Rücklage einzustellen ist (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 27). Im Hinblick auf den Hintergrund der Reform und die Begründung des Gesetzgebers zur Neufassung der einschlägigen Vorschriften liegt hier offenbar eine Regelungslücke vor: Zwar sollte die Bilanzierung eigener Anteile an die internationalen RL-Vorschriften angenähert werden, es besteht allerdings keinerlei Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber den Kap.- und Gläubigerschutz mit der Reform lockern wollte.
Rn. 118
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Anschaffungsnebenkosten sind als Aufwand in der GuV zu berücksichtigen (vgl. § 272 Abs. 1a Satz 3; des Weiteren auch Küting/Reuter, StuB 2008, S. 495 (496); BeckOGK-AktG (2024), § 71, Rn. 241).
Rn. 119
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Erwirbt ein UN eigene Aktien unter pari, also für ein geringeres Entgelt als deren Nennbetrag oder rechnerischen Wert, ergibt sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag und den AK, dessen Verrechnung nach § 272 Abs. 1a Satz 2 zu einer Erhöhung der frei verfügbaren Rücklagen und damit des ausschüttungsfähigen Gewinns zu Lasten des Kap. führen würde (vgl. so offenbar KK-RLR (2011), § 272 HGB, Rn. 85). Es erscheint aber nicht plausibel, dass der Gesetzgeber auf diesem Wege eine Kap.-Rückzahlung ohne Einhaltung der dafür sonst vorgeschriebenen Sicherungen gestatten will. In der aktienrechtlichen Literatur wird daher vertreten, dass der Unterschiedsbetrag in eine gebundene Rücklage einzustellen ist, die bei einer Veräußerung der eigenen Aktien zu einem höheren Betrag als den AK ganz oder teilweise aufzulösen ist (vgl. BeckOGK-AktG (2024), § 71, Rn. 241; MünchKomm. HGB (2024), § 272, Rn. 34ff.). Im Interesse eines effektiven Kap.- und Gläubigerschutzes ist dieser Auffassung zuzustimmen.
Rn. 120
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Gemäß IAS 32.33 sind eigene Aktien gleichfalls nicht als Aktiva auszuweisen, sondern vom EK abzuziehen. Nach IFRS sind jedoch die Anschaffungsnebenkosten ebenso wie der Anschaffungspreis zu be...