Dr. Peter Küting, Prof. Dr. Mana Mojadadr
I. Skizze des (bilanzorientierten) Temporary-Konzepts
Rn. 123
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Infolge divergierender steuerrechtlicher Ansatz- und/oder Bewertungsvorschriften werden bestimmte Geschäftsvorfälle in der StB in zeitlicher und/oder sachlicher Hinsicht anders als im handelsrechtlichen JA erfasst. Damit kommt es regelmäßig zu temporären Unterschieden zwischen den steuer- und handelsrechtlichen Wertansätzen von VG, Schulden und RAP. Da sich diese Abweichungen in den Wertansätzen i. d. R. in den Folgeperioden wieder umkehren, ergeben sich daraus in der Zukunft aus handelsrechtlicher Sicht entweder Steuerverpflichtungen oder Steuererstattungsansprüche. Insoweit gilt es im JA neben den tatsächlich angefallenen "Steuern vom Einkommen und Ertrag" zusätzlich sog. latente Steuern zu bilden, die es ihrerseits wiederum – einen voraussichtlichen Ausgleich bzw. Abbau betreffender Differenzen unterstellt – wie folgt zu unterteilen gilt (vgl. auch HdR-E, HGB § 274):
- aktive latente Steuern, die in künftigen Perioden mutmaßlich anfallende Steuerentlastungen verkörpern (latenter Steueranspruch), sowie
- passive latente Steuern, die für in künftigen Perioden voraussichtlich anfallende Steuerbelastungen zu bilden sind (latente Steuerverpflichtung).
Hierbei sind für eine sich insgesamt ergebende Steuerbelastung nach § 274 Abs. 1 Satz 1 latente Steuern verpflichtend zu passivieren, wohingegen für den Fall, dass sich in toto eine Steuerentlastung einstellt (Aktivüberhang), ein Ansatzwahlrecht für eben diesen Aktivüberhang besteht (vgl. § 274 Abs. 1 Satz 2).
Rn. 124
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Kommt es vor diesem Hintergrund zu währungsbedingt abweichenden Wertansätzen in der HB und StB und gleichen sich diese Differenzen in späteren GJ wieder aus, so besteht das Erfordernis zur Abgrenzung latenter Steuern (vgl. auch HdR-E, HGB § 256a, Rn. 127). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus einer nach Maßgabe des § 256a vorgenommenen Währungsumrechnung erwachsende – und insoweit latenzierungspflichtige – (temporäre) Differenzen üblicherweise nicht etwa schon zum Erstverbuchungszeitpunkt, sondern vielmehr (konzeptionsbedingt) in aller Regel erst i. R.d. Folgebewertung ergeben ((werden); vgl. auch Zwirner/Künkele, StuB 2009, S. 722f.).
II. Steuerrecht: Maßgeblichkeitsprinzip und Bewertungsvorbehalt
Rn. 125
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Das deutsche Steuerrecht kennt den Terminus einer eigenständigen StB nicht. Mit der Bezeichnung "Steuerbilanz" ist immer eine aus der HB abgeleitete Bilanz zu verstehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist jeweils "für den Schluss eines Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen [...], das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt." Damit wird die sog. Maßgeblichkeit der HB für die StB beschrieben (vgl. auch HdR-E, Kap. 3; BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff.; BMF, Schreiben vom 22.06.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 597) , welche i.W. durch den gesetzlichen "Bewertungsvorbehalt" des § 5 Abs. 6 EStG modifiziert wird: Konkret sind die "Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung [...] zu befolgen". Damit gelten die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften nur insoweit auch steuerrechtlich, als die §§ 6 und 7 EStG keine anderen Wertansätze vorschreiben.
Rn. 126
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Ob und inwieweit die Währungsumrechnungsnorm des § 256a infolge des Maßgeblichkeitsprinzips auch in steuerrechtlicher Hinsicht ihre (volle) Wirkung entfaltet, ist zumindest in Teilen des Schrifttums (noch) umstritten. Gemäß § 5 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG sind WG mit den AHK oder dem an deren Stelle tretenden Wert in der StB zu berücksichtigen; entsprechend verhält es sich gemäß § 5 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für Verbindlichkeiten. Damit existiert ein eigenes steuerrechtliches Bewertungskonzept, das dem handelsrechtlichen AK- bzw. Nominalwertprinzip zwar vergleichbar, nicht aber aus diesem abgeleitet ist (vgl. Schmidt: EStG (2021), § 6, Rn. 21f.). Nach klar h. M. und auch hier vertretener Ansicht greift in diesem Fall der steuerliche Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 (vgl. ebenso Kirchhof: EStG (2021), § 6, Rn. 11; Dathe/Schilde, BB 2016, S. 2859 (2860); Hiller, StuB 2016, S. 487 (490f.); kritisch dagegen Hoffmann, PiR 2011, S. 55f.; Schüttler, PiR 2011, S. 136f.). Anders formuliert: Dem sich speziell bei kurzfristigen Posten handelsrechtlich aus § 256a Satz 2 ergebenden Ausweis unrealisierter Gewinne steht in steuerrechtlicher Hinsicht das AK-Prinzip entgegen. Führt die Umrechnung mit dem Stichtagskurs handelsrechtlich zu einem Ansatz oberhalb der AK (kurzfristige VG) bzw. unterhalb des ursprünglichen Erfüllungsbetrags (kurzfristige Verbindlichkeiten), ist steuerrechtlich gleichwohl (w...