Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
I. Allgemeines
Rn. 145
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 318 Abs. 6 regelt die Kündigung des Prüfungsauftrags durch den AP. Der bestellte AP kann den Prüfungsauftrag lediglich unter engen Voraussetzungen kündigen, nämlich nur "aus wichtigem Grund". Meinungsverschiedenheiten über Inhalt, Einschränkung oder Versagung des BV sind ausdrücklich als Kündigungsgrund ausgeschlossen (vgl. § 318 Abs. 6 Satz 2). Zweck dieser Kündigungsschutzregelung ist, die "Stellung der Abschlußprüfer im Verhältnis zu den zu prüfenden Unternehmen und ihre Unabhängigkeit zu verstärken" (BT-Drs. 10/317, S. 95). Der AP soll sich einer gerichtlichen Klärung von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Gesellschaft nicht durch Kündigung des Prüfungsauftrags entziehen können (vgl. BT-Drs. 10/317, S. 95). Das Kündigungsrecht des AP kann durch Regelungen im Prüfungsauftrag weder um zusätzliche Gründe erweitert noch eingeschränkt werden (vgl. Hartmann (1986), S. 109f.; Dissars, BB 2005, S. 2231; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 102). Auch eine einvernehmliche Vertragsauflösung ist nicht möglich (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 108; Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 130).
Rn. 146
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Dem prüfungspflichtigen UN steht kein Kündigungsrecht zu (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 211). Daher kann es den Prüfungsauftrag auch nicht wegen pflichtwidrigen Verhaltens des AP kündigen, z. B. bei parteiischem Verhalten, Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder unbegründeter Verzögerung der Prüfungsausführung. Das prüfungspflichtige UN ist auf das Ersetzungsverfahren nach § 318 Abs. 3 (vgl. HdR-E, HGB § 318, Rn. 81ff.) angewiesen; darüber hinaus ist es durch Schadensersatzansprüche (vgl. § 323) sowie die Möglichkeit, ein berufsgerichtliches Verfahren gemäß § 67 WPO zu beantragen, geschützt.
II. Kündigungsgrund
Rn. 147
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Gesetzgeber hat die Kündigung des Prüfungsauftrags durch den AP nur bei Eintreten eines "wichtigen Grundes" zugelassen. Zur Interpretation dieser Gesetzesformulierung ist nach der im Schrifttum einhellig vertretenen Ansicht grds. auf das Verständnis eines wichtigen Grundes bei der Kündigung eines Dienstvertrags unter Berücksichtigung der Besonderheiten der rechtlichen Vorgaben zur AP sowie der Funktion des AP zurückzugreifen (vgl. z. B. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 122; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 104; Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 130; ähnlich auch Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 212, wonach zumindest eingeschränkt auf die Vorgaben der §§ 626 und 643 BGB verwiesen werden kann). Nach § 626 BGB kann ein Dienstverhältnis jederzeit aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 626 BGB dann vor, "wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses [...] nicht zugemutet werden kann." Wesentliches Kriterium ist folglich, dass die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses unzumutbar ist (vgl. so auch Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 130). Bezogen auf die Prüfung bedeutet dies, dass der AP den Prüfungsauftrag aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn ihm die Fortsetzung der Prüfung nicht zugemutet werden kann. Bei der Konkretisierung des Kriteriums der Zumutbarkeit sind allerdings zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem allg. Dienstvertragsrecht und dem Rechtsverhältnis zwischen prüfungspflichtigem UN und AP zu berücksichtigen: Erstens bestimmt § 318 Abs. 6 Satz 2 ausdrücklich, dass Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt des BV sowie seine Erteilung oder Versagung keinen wichtigen Grund i. S. d. § 318 Abs. 2 Satz 1 darstellen. Zweitens ist das Kriterium der Zumutbarkeit vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass der AP eine öffentliche Aufgabe erfüllt (vgl. dazu Schulze-Osterloh, in: FS Hefermehl (1976), S. 405 (411ff.)) und daher das Fortbestehen des Rechtsverhältnisses zwischen prüfungspflichtigem UN und AP grds. nicht zur Disposition der Vertragsparteien gestellt ist. Die von § 626 BGB geforderte Interessenabwägung zwischen den Parteien muss daher im Kontext der Prüfung so interpretiert werden, dass neben den Interessen des geprüften UN und des AP auch die öffentliche Funktion der AP zu berücksichtigen ist. I.W. sind diesbezüglich die folgenden Fallgruppen zu diskutieren:
Rn. 148
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
- Ein Kündigungsgrund liegt vor, wenn für den AP die Durchführung der Prüfung unmöglich geworden ist. Ein Beispiel dafür ist eine schwerwiegende Erkrankung des AP. Aber auch wenn der AP erst während der Prüfung erkennt, dass ihm die nötigen Kenntnisse oder Fähigkeiten zur Durchführung der AP fehlen und er dieses Problem nicht beheben kann, ist ein wichtiger Grund zur Kündigung des Prüfungsauftrags gegeben.
Rn. 149
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
- Ebenfalls stellt es einen wichtigen Grund dar, wenn der AP bei einer Fortführung der Prüfung gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen würde und er dies nicht anders als durch eine Künd...