Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Rn. 43
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
BHV und GAV können fehlerhaft sein sowohl auf der Ebene des UN-Vertrags als auch auf der Ebene des Zustimmungsbeschlusses.
I. Mängel des Vertrags
Rn. 44
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Mängel des Vertrags können in den allg. vertragsrechtlichen Nichtigkeitsgründen der §§ 119 und 123 i. V. m. 142 Abs. 1, 125, 134, 138, 154, 155 BGB sowie in dem in § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG genannten Nichtigkeitsgrund eines fehlenden Ausgleichs liegen.
Rn. 45
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Schwierigkeiten kann der Fall bereiten, in dem ein BHV oder GAV durchgeführt wird, obwohl er fehlerhaft ist. Bei Nichtigkeit müsste der Vertrag eigentlich rückabgewickelt werden. Dies aber ist wegen des organisationsrechtlichen Charakters dieser Vertragsarten kaum möglich (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1987, II ZR 170/87, NJW 1988, S. 1326). So kann bspw. im Fall eines GAV das beherrschte UN nicht rückwirkend für sich selbst gewirtschaftet haben. Sachgerecht erscheint vielmehr eine Beendigung des Vertragsverhältnisses ex nunc. Sinnvoll kann daher eine Übertragung der zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten Grundsätze auf den fehlerhaften BHV oder GAV sein. Zur GmbH hat der BGH in seinem Familienheim-Urteil entschieden, dass ein BHV oder GAV so lange als wirksam zu behandeln und das herrschende UN zum Ausgleich der Verluste verpflichtet sei, bis sich einer der Vertragspartner auf die Nichtigkeit berufe und die Beherrschung ein Ende finde (vgl. so BGH, Urteil vom 14.12.1987, II ZR 170/87, NJW 1988, S. 1326f.; bestätigt durch BGH, Urteil vom 05.11.2001, II ZR 119/00, NJW 2002, S. 822). Dies ist grds. auf die AG (bzw. KGaA und SE) übertragbar, jedoch stellt sich die Frage, ob in diesem Fall zusätzlich zur tatsächlichen Durchführung eine Eintragung des UN-Vertrags in das Handelsregister zu verlangen ist. Das ist streitig, wird aber insbesondere mit Blick auf § 294 Abs. 2 AktG zu bejahen sein. Ein UN-Vertrag erlangt erst mit seiner Eintragung ins Handelsregister Wirksamkeit, was die Vertragsparteien auch wissen müssen. In der Praxis kommt es daher kaum zur Durchführung eines nicht eingetragenen Vertrags. Die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger des UN sind vor der Eintragung des UN-Vertrags außerdem nicht schutzbedürftig (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 200, 204; Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 26; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 134; Henssler/Strohn (2021), § 291 AktG, Rn. 17).
Rn. 46
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Abzulehnen ist die Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber für den Fall, dass der Vertrag keinen Ausgleich nach § 304 Abs. 1 AktG vorsieht und damit nach § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG nichtig ist. Der Schutz der außenstehenden Aktionäre verlangt, einen solchen Vertrag als von Anfang an nichtig zu behandeln (vgl. BeckOGK-AktG (2022), § 291 AktG, Rn. 136f.).
Rn. 47
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Umstritten ist, wie die Beendigung ex nunc erreicht wird, nämlich durch einfache Berufung des Vorstands auf die Nichtigkeit (vgl. so Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 28) oder durch außerordentliche Kündigung (vgl. so MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 197; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 138). Für die außerordentliche Kündigung wäre der Vorstand gemäß § 297 AktG zuständig; Fristen wären nicht einzuhalten (vgl. so MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 197; Mertens, BB 1995, S. 1417 (1421)).
II. Mängel des Zustimmungsbeschlusses
Rn. 48
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Das Problem eines vollständig fehlenden, also niemals gefassten HV-Beschlusses wird es in der Praxis nicht geben, weil das Registergericht den UN-Vertrag ohne Nachweis der Beschlussfassung nicht eintragen wird (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 207).
Rn. 49
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Fehler können jedoch bei der Beschlussfassung unterlaufen. Der Zustimmungsbeschluss ist dann nach den allg. aktienrechtlichen Vorschriften mit der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage nach den §§ 241ff., 246 AktG angreifbar (vgl. BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 131).
Rn. 50
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Umstritten ist, ob im Fall einer erfolgreichen Klage die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch dann prinzipiell Anwendung finden, wenn das Gericht den Beschluss rückwirkend für nichtig erklärt und gar dessen Nichtigkeit feststellt. Die instanzgerichtliche Rspr. lehnt dies bislang zwar für das Aktienkonzernrecht ab (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2011, 12 W 21/09, ZIP 2011, S. 1817 (1819f.); OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.03.2004, 3 W 167/03, ZIP 2004, S. 559 (561f.)). Richtigerweise ist der UN-Vertrag allerdings auch hier in Übertragung der Rspr. des BGH zum GmbH-Konzernrecht (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1987, II ZR 170/87, NJW 1988, S. 1326f.) grds. so lange als wirksam zu behandeln, bis sich jemand auf die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit beruft. Hierfür bedarf es jedoch bei der AG, KGaA bzw. SE zusätzlich zur tatsächlichen Durchführung des UN-Vertrags der Eintragung in das Handelsregister (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 209ff.; § 293 AktG, Rn. 89f.; fernerhin HdR-E, AktG § 291, Rn. 45). Bestandskraft ...