Rn. 35
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die erste Ausnahme vom Verrechnungsverbot ist ableitbar aus § 387 BGB, nach dem gleichartige Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufrechenbar sind, sobald der einzelne Vertragspartner die "ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann". Eine Saldierung gleichartiger Forderungen und Verbindlichkeiten bei Identität von Schuldner und Gläubiger wird angenommen, wenn die Voraussetzungen für die Aufrechenbarkeit – Forderung und Verbindlichkeit sind fällig – gegeben sind (vgl. dahingehend u. a. ADS (1998), § 246, Rn. 465f.; KK-AktG (1991), § 246 HGB, Rn. 32; HB-RP (1995), § 246 HGB, Rn. 26; MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 83f.; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 150; WP-HB (2021), Rn. F 67). Darüber hinaus wird eine Verrechenbarkeit auch dann angenommen, wenn
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die Forderung des UN zwar fällig, die Verbindlichkeit aber lediglich erfüllbar ist, da dann das UN (nicht aber der andere Teil) nach § 387 BGB aufrechnen kann; |
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die Forderung und die Verbindlichkeit zwar noch nicht fällig (und damit aufrechenbar), aber annähernd gleich befristet und bis zur Aufstellung der Bilanz erloschen sind (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 152 Rn. 84). Dagegen wird eine Verrechnung für den Fall abgelehnt, "in dem sowohl die Forderung als auch die Verbindlichkeit am BilSt noch nicht fällig sind, aber die Zeitpunkte der Fälligkeit der Forderung und der Erfüllbarkeit der Verbindlichkeit identisch sind oder nur unwesentlich voneinander abweichen" (Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 152). |
Generell von der Verrechnungsmöglichkeit ausgeschlossen sind in besonderer Weise durch Wechsel, Schecks, Hypotheken und Grundschulden gesicherte Forderungen und Verbindlichkeiten ((verbriefte Forderungen und Verbindlichkeiten); vgl. HB-RP (1995), § 246 HGB, Rn. 27; a. A. ADS (1998), § 246, Rn. 467). Bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Aufrechenbarkeit bzw. die "wirtschaftliche Aufrechenbarkeit" besteht die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht zur Aufrechnung (vgl. dahingehend auch MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 85). Lediglich bei Vertragsverhältnissen, die von den Vertragspartnern von vornherein als Abrechnungsverhältnis ausgestaltet sind, und bei Kontokorrentverhältnissen i. S. v. § 355, bei denen eine Forderung oder Verbindlichkeit von vornherein nur in Höhe des Abrechnungssaldos entsteht, ist eine Verrechnung geboten (vgl. ADS (1998), § 246 HGB, Rn. 463; KK-AktG (1991), § 246 HGB, Rn. 31; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 154).
Eine Ausnahme vom Saldierungsverbot wird schließlich bei Gesamtschuldverhältnissen für vertretbar (bzw. geboten) gehalten, in denen eine Gesamtschuld im Außenverhältnis und ein Rückgriffsanspruch im Innenverhältnis bestehen, sofern letzterer zweifellos vollwertig ist und sofern der Gläubiger das betrachtete UN nicht tatsächlich in Anspruch genommen hat (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 152, Rn. 82; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 153). Zu Recht verweist Kropff auf die Fälle der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter einer PersG und der Haftung der Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, in denen zwar rechtlich eine Schuld, wirtschaftlich aber nur der Charakter einer akzessorischen Haftung vorliegen kann (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 151, Rn. 134).
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Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Neben den Saldierungsmöglichkeiten im Bereich der Forderungen und Verbindlichkeiten sind noch einige andere Ausnahmen vom bilanziellen Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 zu erwähnen. So resultiert aus der Gesetzesformulierung des § 274 eine Verrechnungsmöglichkeit für die aktiven und passiven latenten Steuern, d. h., die sich aus unterschiedlichen Wertansätzen in HB und StB ergebenden und in der Zukunft steuerbe- oder -entlastend umkehrenden (temporären) Differenzen können entweder saldiert werden, wobei dann eine
- sich insgesamt ergebende Steuerbelastung als "Passive latente Steuern" (§ 266 Abs. 3 E.) zwingend angesetzt werden muss, während
- eine sich insgesamt ergebende Steuerentlastung als "Aktive latente Steuern" (§ 266 Abs. 2 D.) aktiviert werden darf, oder
unverrechnet auf der Aktiv- und Passivseite angesetzt werden (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 144ff.; HdR-E, HGB § 274, Rn. 211ff.).
Ebenfalls zu einer (bedingten) Einschränkung des Saldierungsverbots führt die Regelung des § 268 Abs. 5 Satz 2, wonach erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen offen vom Posten "Vorräte" abgesetzt werden können, anstatt gesondert unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen werden zu müssen. Es ist zu beachten, dass einerseits die Verrechnung der erhaltenen Anzahlungen offen gezeigt werden muss, und dass andererseits eine Verrechnungsmöglichkeit nur mit bereits angeschafften oder hergestellten Vorräten möglich ist (vgl. HdR-E, HGB § 268, Rn. 212ff.).
Eine weitere Einschränkung des Saldierungsverbots ist ferner bei dem Ausweis von ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kap. gemäß § 272 Abs. 1 Satz 2 zu sehen, wonach die nicht eingef...