Rn. 18
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Ermittlung des Sachverhalts obliegt gemäß § 26 FamFG dem Gericht von Amts wegen. Das Gericht entscheidet also allein darüber, ob und welche Feststellungen erforderlich sind, um den Bericht der Sonderprüfer zu überprüfen und zu ergänzen (vgl. Falkenhausen, AG 1967, S. 309 (313ff.)). Im Zuge der Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung kann die Gesellschaft verpflichtet werden, Unterlagen vorzulegen. Auch können die AP angehört werden. Das Gericht kann den Sachverhalt auch mithilfe von Gutachten ermitteln. Es kann dabei Einzelfragen begutachten, aber auch ein Gutachten über den gesamten Sachkomplex erstellen lassen (vgl. ADS (1997), § 260 AktG, Rn. 17; AktG-GroßKomm. (2021), § 260, Rn. 34; Frey, WPg 1966, S. 633 (640); KK-AktG (2017), § 260, Rn. 18; MünchKomm. AktG (2021), § 260, Rn. 12). Lediglich Claussen (KK-AktG (2009), § 260, Rn. 10) will dem Gericht ein sog. Obergutachten mit dem Hinweis auf die Zeitgerechtigkeit verwehren bzw. nur als ultima ratio zulassen. Vom Gesetz sei ein solches Obergutachten nicht vorgesehen, weil dieses Zeit und Geld koste und ein zügiges Verfahren angestrebt werde, was durch die in § 260 Abs. 2 Satz 3 AktG eröffnete Möglichkeit der Schätzung verdeutlicht wird. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass in diesem Stadium noch Neues zur Streitfrage zu ermitteln sei. Zutreffend ist, dass ein komplexes und umfangreiches Obergutachten den zeitlichen Fortgang der gerichtlichen Überprüfung sehr stark beeinträchtigen kann. Auch erscheint die Notwendigkeit der Hinzuziehung fremden Sachverstands auf Ebene der gerichtlichen Überprüfung nicht mehr unbedingt einleuchtend. Dem ist mit der Verhandlung vor einer Kammer für Handelssachen, die über die erforderliche Sachkompetenz verfügen sollte, ausreichend Genüge getan. Ebenfalls dürfte wohl das Interesse der Parteien, die sich zum Zeitpunkt des Verfahrens schon weit im neuen WJ befinden, an einer zügigen Klärung überwiegen. Jedoch kann aus der fehlenden Erwähnung durch den Gesetzgeber nicht auf den (generellen) Ausschluss eines Obergutachtens geschlossen werden. Ein solches ist weiterhin grds. als zulässig anzusehen, sollte aber vom Gericht im Hinblick auf die Interessenlage in gegebenem Verfahrensstadium nur dann erwogen werden, wenn sich das Gericht nicht zur Schätzung entschließen kann.
1. Entscheidung nach freier Überzeugung
Rn. 19
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Das Gericht entscheidet unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (vgl. § 260 Abs. 2 Satz 1 AktG). Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht nicht i. R.d. gestellten Antrags zu entscheiden hätte (vgl. ADS (1997), § 260 AktG, Rn. 20; AktG-GroßKomm. (2021), § 260, Rn. 33; Hüffer-AktG (2021), § 260, Rn. 7; KK-AktG (2017), § 260, Rn. 19; MünchKomm. AktG (2021), § 260, Rn. 13). Nach der Gegenauffassung darf das Gericht über den gestellten Antrag hinaus gehen (vgl. KK-AktG (2009), § 260, Rn. 12; Falkenhausen, AG 1967, S. 309 (317)). Eine Entscheidung "nach freier Überzeugung" bedeutet aber keine Ermächtigung zu beliebiger Entscheidungsfindung (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 260, Rn. 13). Da der Antrag genau bezifferte Beträge zur Bewertung enthalten muss (vgl. HdR-E, AktG § 260, Rn. 15), kann das Gericht diese Beträge nicht überschreiten (vgl. ADS (1997), § 260 AktG, Rn. 20; KK-AktG (2017), § 260, Rn. 19; MünchKomm. AktG (2021), § 260, Rn. 13). Dem Antragsteller obliegt hinsichtlich dieser genannten Beträge die Substanziierungspflicht (vgl. HdR-E, AktG § 260, Rn. 14f.). Dies dient dazu, die Betragsfestsetzung gerade nicht in das Ermessen des Gerichts zu stellen, was auch nicht mit der Parteiherrschaft im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vereinbar wäre (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 260, Rn. 13).
2. Stichtagsprinzip sowie Berücksichtigung der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden der Gesellschaft
Rn. 20
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Wie auch die Sonderprüfer, muss das Gericht seiner Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des JA zugrunde legen (vgl. § 259 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 260 Abs. 2 Satz 2 AktG; ausführlich HdR-E, AktG § 259, Rn. 16). Es hat den Ansatz der Werte und Beträge nach der Bewertungs- oder Abschreibungsmethode zu beurteilen, nach der die Gesellschaft die zu bewertenden Gegenstände oder vergleichbare Gegenstände zuletzt in zulässiger Weise bewertet hat (vgl. § 259 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 260 Abs. 2 Satz 2 AktG). Hieran ist das Gericht gebunden (vgl. § 260 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 259 Abs. 2 Satz 3 AktG). Für die Gestaltung der Bilanz steht der Gesellschaft ein Wahlrecht für eine bestimmte Bewertungs- oder Abschreibungsmethode zu. Wird dies in zulässiger Weise ausgeübt, ist das Gericht ebenso wie bereits der Sonderprüfer hieran gebunden (vgl. § 259 Abs. 2 Satz 3 AktG; ausführlich HdR-E, AktG § 259, Rn. 16).
3. Schätzung der Beträge
Rn. 21
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Wenn die Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der maßgeblichen Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist das Gericht berechtigt und verpflichtet, die diesbezüglichen Werte und Beträge zu schätzen (vgl. § 260 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dies ermöglicht es dem Gericht, seine Ermittlungen einzuschränken, wenn eine...