Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 41
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Nach § 243 Abs. 2 muss der JA "klar und übersichtlich sein". Damit wird explizit vorgeschrieben, dass die RL aller buchführungspflichtigen Kaufleute dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gerecht werden muss. Auf diese Weise ist ein zuvor bestehender Rahmengrundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung (vgl. auch Leffson (1987), S. 207ff.; Baetge, in: HWR (1993), Sp. 860 (865)) für UN aller Rechtsformen gesetzlich kodifiziert worden. Unter Rahmengrundsätzen versteht man die "Bedingungen jeder Vermittlung nützlicher Informationen" (Leffson (1987), S. 179).
Rn. 42
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
§ 243 Abs. 2 soll für alle buchführungspflichtigen Kaufleute eine klare und übersichtliche Darstellung des RL-Inhalts gewährleisten, sofern keine diesbezüglichen Spezialvorschriften vorhanden sind. Da Spezialvorschriften zur Klarheit und Übersichtlichkeit des JA für KapG (vgl. z. B. §§ 265, 266, 275, 277), eG (vgl. § 336 Abs. 2), publizitätsgesetzpflichtige UN (vgl. § 5 PublG) sowie verschiedene Branchen (z. B. Versicherungen, Kreditinstitute, Verkehrs-UN, Wohnungs-UN; vgl. § 330) vorliegen, gilt § 243 Abs. 2 v.a. für Einzelkaufleute und PersG, die ihren JA gemäß dem Ersten Abschnitt des Dritten Buchs des HGB aufzustellen haben (also nicht unter § 264a fallen), sowie für die nicht geregelten und die auszulegenden Bereiche der Spezialvorschriften.
Rn. 43
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Bestehende Spezialvorschriften gehen dem Grundsatz der Klarheit vor, auch wenn sie ihm nicht oder nicht ganz gerecht werden. Dies ist z. B. bei der unvollständigen Erfolgsaufspaltung in der GuV aufgrund des Verzichts auf einen separaten Ausweis außerordentlicher Erfolgskomponenten der Fall (vgl. Bonner HGB-Komm. (2015), § 275, Rn. 38). Fehlen solche Spezialvorschriften, dann ist der GoB der Klarheit die maßgebliche Entscheidungs-R für den Rechnung legenden Kaufmann. Über das Handelsrecht hinaus hat der in § 243 Abs. 2 kodifizierte GoB auch Bedeutung für das Steuerrecht, da grds. die handelsrechtlichen GoB bei der Ermittlung des BV anzusetzen sind und insoweit der handelsrechtliche Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit auch für die Form der StB grds. maßgeblich ist (vgl. § 5 Abs. 1 EStG). Zwar sind aus der Sicht der Finanzbehörden formale Aspekte der StB von untergeordneter Bedeutung (vgl. BFH, Urteil vom 19.10.1961, IV 97/59 U, BStBl. III 1962, S. 99ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 70; Federmann/Müller (2018), S. 181), indes wurde mit Einführung der sog. E-Bilanz erstmals ein steuerrechtliches Gliederungsschema für die Bilanz eingeführt, welches im Detaillierungsgrad und Umfang noch über die Vorgaben des § 266 hinausgeht (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 266 HGB, Rn. 300f.). Zudem können für den Fiskus formale Aspekte eine Rolle spielen, wenn er, wie bei der Fallauswahl für die Betriebsprüfung, auf aussagefähige Unterlagen angewiesen ist.
Rn. 44
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Der Rahmengrundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit soll ein Maßstab für die formale Gestaltung der RL sein, der eine transparente Darstellung der RL garantiert. Die in der Buchführung dokumentierten Sachverhalte müssen auch in JA jener Rechtsformen klar und übersichtlich dargestellt werden, die nicht gesetzlich verpflichtet sind, externen JA-Lesern Rechenschaft zu geben. Denn: Für die nicht offenlegungspflichtigen UN bildet der handelsrechtliche JA häufig das wichtigste Instrument zur Selbstinformation der UN-Leitung über die Lage des UN, weil im JA alle Geschäftsvorfälle des GJ enthalten sind (vgl. ADS (1995), § 243, Rn. 31). Aus diesem Grund könnte es sich auch für von der Buchführungspflicht befreite Unternehmen (vgl. § 241a) empfehlen, freiwillig Bücher zu führen und einen JA aufzustellen. Rechenschaft gegenüber sich selbst kann bei einer unklaren und unübersichtlichen Darstellung aber nicht oder nur unvollkommen erfüllt werden. Außerdem sind klare und übersichtliche Abschlüsse erforderlich, damit die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter sich "von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten" (§ 118 Abs. 1) können. Dieses den Gesellschaftern gesetzlich zugesicherte Kontrollrecht (vgl. z. B. § 716 BGB für die BGB-Gesellschaft, § 118 Abs. 1 für die OHG, § 166 Abs. 1 für die KG, § 233 Abs. 1 für die stille Gesellschaft, Art. 18 EWIV-VO für die EWIV) kann von den Gesellschaftern nur dann hinreichend ausgeübt werden, wenn ihnen gegenüber in verständlicher und übersichtlicher Form Rechenschaft geleistet wird (vgl. Moxter (1976), S. 181; Strobel, DB 1980, S. 1225 (1228); Goerdeler, in: FS Kellermann (1991), S. 77 (84ff.)). Ebenso sind potenzielle Gesellschafter auf eine solche Darstellung von JA-Informationen angewiesen. Bei großen KapG dient die Transparenz von veröffentlichten Finanzinformationen der Pflege der sog. Investor Relations, die letztlich v.a. eine Senkung der Kap.-Kosten bezweckt (vgl. Goebel/Ley, DStR 1993, S. 1679f.; Ernst/Gassen/Pellens (2009), S. 56, ebenso wie Fey, WPg 2000, S. 1097). ...