Prof. Dr. Peter Oser, Dipl.-Ök. Jochen Holzwarth
Rn. 291
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach § 285 Nr. 1 sind im Anhang anzugeben „zu den in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten
- der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren,
- der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, die durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind, unter Angabe von Art und Form der Sicherheiten”.
Mit dieser Angabe wurde Art. 43 Abs. 1 Nr. 6 der 4. EG-R (derweil: Art. 16 Abs. 1 lit. g) der Bilanz-R) umgesetzt; daraus resultiert das Gebot einer R-konformen Auslegung und Rechtsfortbildung von § 285 Nr. 1. Die Angabepflicht besteht für KapG und PersG i. S. v. § 264a, dem PublG unterliegende UN (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3–5, 5 Abs. 2 PublG) sowie Versicherungs-UN (vgl. § 341a Abs. 1). Kleinst-KapG einschließlich Kleinst-PersG i. S. v. § 264a sind von der Angabepflicht befreit, wenn sie die Anforderungen in § 264 Abs. 1 Satz 5 erfüllen. Eine entsprechende Angabepflicht besteht für den Konzernanhang nach § 314 Abs. 1 Nr. 1.
Die Angaben sind zu den in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten (vgl. § 266 Abs. 3 C.) zu machen (vgl. auch HdR-E, HGB § 268, Rn. 208ff.). Zu Rückstellungen (vgl. § 266 Abs. 3 B.) sind die Angaben nicht verlangt und auch nicht üblich. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen, die zulässigerweise gemäß § 268 Abs. 5 Satz 2 offen von den Vorräten abgesetzt werden, sind ebenfalls in die Angaben nach § 285 Nr. 1 einzubeziehen, da auch diese als Verbindlichkeit(en) in die Bilanz eingegangen sind und ansonsten die Darstellung der Zahlungsverpflichtungen sowie deren Fristigkeit unvollständig wären (vgl. ebenso ADS (1995), § 285, Rn. 8; a. A. Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 12).
Rn. 292
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Der Begriff der Restlaufzeit besagt, dass es nicht auf die bei Vertragsabschluss vereinbarte Gesamtlaufzeit ankommt, sondern auf die Zeit zwischen dem BilSt und der voraussichtlichen Zahlung der Verbindlichkeit. Anzugeben sind also die Verbindlichkeiten, die nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre nach dem BilSt bezahlt werden. Bei Verbindlichkeiten, die in Annuitäten getilgt werden, ist nach dem Annuitätenplan der Betrag zu ermitteln, der erst nach Ablauf der fünf Jahre getilgt werden wird (vgl. auch ADS (1995), § 285, Rn. 12; Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 16). Die Angabe bezieht sich auf den Bilanzausweis, was bedeutet, dass der anzugebende Betrag in den Verbindlichkeiten enthalten sein muss. Das ergibt sich auch aus der in Nr. 2 verlangten Aufgliederung, die alternativ durch einen "davon"-Vermerk in der Bilanz gegeben werden kann (vgl. HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 299). Somit sind nach dem BilSt erst entstehende Zinsschulden für Rentenverpflichtungen nicht in den Gesamtbetrag einzubeziehen. Gleiches gilt für Zero-Bonds im JA des Emittenten, die nach HFA 1/1986 (WPg 1986, S. 248f.) bilanziert sind (vgl. HdR-E, HGB § 253, Rn. 28, 67).
Rn. 293
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Als nach fünf Jahren zu zahlende Beträge sind grds. die Summen zusammenzufassen, die vertraglich oder gesetzlich nicht früher fällig werden. Allerdings müssen von diesen Beträgen die Zahlungen abgesetzt werden, die nach dem Zahlungsplan des UN zulässigerweise und gewollt schon früher bezahlt werden (vgl. ADS (1995), § 285, Rn. 11), weil diese Darstellung den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Gleiches gilt für Prolongationsabreden. Bei Vereinbarungen über einen Kreditrahmen mit wechselnder Inanspruchnahme (z. B. Roll-over-Eurokredite; vgl. u. a. Eichwald/Pehle (2000), S. 746f.) kommt es für die Restlaufzeit darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kreditgeber das Vertragsverhältnis frühestens beenden und den Kredit zurückfordern kann (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 17).
Rn. 294
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Ist die Zeit der Leistung vertraglich festgelegt, so sind die Fristen nach den §§ 187–193 BGB zu bestimmen. Diese Fristenbestimmung kann dann von Bedeutung sein, wenn entschieden werden muss, ob eine Zahlung noch vor oder erst nach dem fünften BilSt zu leisten ist. Ist für die Rückerstattung eines Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, ob der Gläubiger oder der Schuldner kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht bedungen, ist der Schuldner auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt (vgl. § 488 Abs. 3 BGB). Diese Grundsätze sind zu beachten, wenn aus den vertraglichen Abmachungen die Restlaufzeit nicht hervorgeht. Hängt die Kündigung von vertraglichen oder gesetzlichen (vgl. §§ 489f. BGB) Bedingungen ab, so muss mit dem Bedingungseintritt ernsthaft zu rechnen sein. Macht z. B. ein Kreditinstitut vom außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB während der Aufstellungsphase des JA Gebrauch, wird dies regelmäßig zu berücksichtigen sein, weil es auf die tatsächliche Restlaufzeit ankommt (vgl. ADS (1995), § 285, Rn. 11). Bei der Abschätzung künftiger Liquiditätsabflüsse dürfen vorliegende Informationen nicht ignoriert werden. Bei wesentlicher Bedeutung des Vorgangs besteht...