Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 90
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Die formale Anwendung des Einzelbewertungsgrundsatzes würde für Sicherungstransaktionen eine kompensatorische Bilanzierung mit den Grundgeschäften ausschließen. Ein vorsichtiger, d. h. das Risiko absichernder Kaufmann, würde damit für seine Vorsicht in der Form bestraft, dass er im Gegensatz zum nicht absichernden Kaufmann stets einen Verlust zu verbuchen hätte. Dies deshalb, weil je nach Entwicklung der Risikofaktoren entweder das Grundgeschäft für sich gesehen an Wert verliert und damit Abwertungen notwendig werden, während die Wertgewinne der gegengerichtet reagierenden Sicherungsinstrumente nicht ergebniswirksam erfasst werden dürfen, oder umgekehrt unrealisierte Gewinne bei den Grundgeschäften nicht vereinnahmt werden dürfen, während unrealisierte Verluste aus Sicherungsgeschäften das Ergebnis mindern. Um eine wirtschaftlich sachgerechte Bilanzierung zu ermöglichen und um bilanzielle Verzerrungen zu vermeiden, wurden Sicherungsbeziehungen vor Inkrafttreten des sog. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) nach den GoB als Bewertungseinheit kompensierend abgebildet.
Der Gesetzgeber hat mit § 254 eine Regelung zur Bilanzierung von Bewertungseinheiten geschaffen (vgl. HdR-E, HGB § 254, Rn. 1ff., m. w. N.). Dabei sind jedoch nur eindeutig identifizierbare und ermittelbare Risiken, wie z. B. das Zins-, Währungs-, Ausfall- oder Preisänderungsrisiko (bzw. die darauf basierenden Wertänderungen) absicherungsfähig, während das allg. Unternehmensrisiko nicht i. R.e. Bewertungseinheit abgesichert werden kann.
Mit dem Abschluss von Sicherungsinstrumenten verfolgt das Unternehmen die Absicht, das mit einem Grundgeschäft verbundene (Marktpreis- bzw. Bonitäts-)Risiko zu reduzieren bzw. zu modifizieren. Die in einer Bewertungseinheit zusammengefassten Geschäfte stehen in einem gewollten inneren Zusammenhang. Die Bilanzierung von Grundgeschäften und Sicherungsinstrumenten, die in einem solchen Sicherungszusammenhang stehen, wird durch die Bildung von Bewertungseinheiten i. S. d. § 254 gelöst (bei Währungstransaktionen wird dies auch als geschlossene Position bezeichnet).
Rn. 91
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Bezüglich der Frage nach einem Wahlrecht bzw. einer Pflicht zur Bildung bzw. Bilanzierung sind in § 254 Satz 1 nach der hier vertretenen Ansicht zwei Ebenen zu unterscheiden (vgl. ausführlich HdR-E, HGB § 254, Rn. 22f., m. w. N. für diese Sichtweise):
(1) |
Auf der 1. Ebene (vgl. § 254 Satz 1 Halbsatz 1) trifft das Unternehmen in eigener Verantwortung die Entscheidung, ob es ein bestimmtes Risiko sichern will oder nicht (Sachverhaltsgestaltung). |
(2) |
Auf der 2. Ebene (vgl. § 254 Satz 1 Halbsatz 2) sind die Rechtsfolgen zu betrachten, die sich im Hinblick auf die bilanzielle Abbildung der Sicherungsbeziehungen bzw. die Zusammenfassung von Grundgeschäften und Sicherungsinstrumenten ergeben. |
Bindeglied zwischen der 1. Ebene und der 2. Ebene ist die vollständige Dokumentation der Bewertungseinheit als solche (vgl. HdR-E, HGB § 254, Rn. 23, 141ff.). Liegt keine Dokumentation vor, aus der sich ergibt, dass Grundgeschäft und Sicherungsinstrument eine Bewertungseinheit bilden, ist grds. davon auszugehen, dass eine Bilanzierung i. S. d. § 254 nicht in Betracht kommt.
Wenn bei vorliegendem Schriftverkehr oder Ähnlichem mit externen Dritten eine Sicherungsbeziehung in Form einer Micro-Bewertungseinheit zur Absicherung eines bestimmten Risikos abgeschlossen wurde, diese aber bilanziell nicht in einer Bewertungseinheit abgebildet werden soll, obliegt dem Bilanzierenden gleichwohl eine Nachweispflicht darüber, dass ausdrücklich keine bilanzielle Sicherungsbeziehung bestehen soll. Der Grundsatz der Stetigkeit ist zu beachten, was letztlich bedeutet, dass auch zu einem späteren Zeitpunkt für diese Transaktion grds. keine Abbildung nach § 254 möglich ist, da dies zu einer willkürlichen Bilanzierung führen würde.
Wurde die Zweckbestimmung im internen Rechnungswesen oder im Risikomanagement als Sicherungstransaktion dokumentiert (bspw. durch Kennzeichnung der Sicherungsinstrumente als solche, oder entsprechende Darstellung als gesicherte Position in der in- bzw. externen Risikoberichterstattung), ist diese Dokumentation auch i. R.d. externen RL durch Bilanzierung einer Bewertungseinheit nachzuvollziehen, sofern Grundgeschäft und Sicherungsinstrument die hierzu erforderlichen objektiven Voraussetzungen (Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung) erfüllen.
Zwischen Bilanzierung (JA) und Risikoberichterstattung im Lagebericht muss ein Gleichklang bezüglich der Darstellung der Finanz- und Ertragslage bestehen. M.a.W.: Wird im Lagebericht dargestellt, dass bestimmte Risiken mit Finanzinstrumenten gesichert sind (1. Ebene), bedingt dies im JA eine Bilanzierung nach § 254 und Angaben im Anhang nach § 285 Nr. 23 (2. Ebene). Mithin kann nur auf der o. g. 1. Ebene (Entscheidung, abzusichern oder nicht abzusichern) ein echtes Wahlrecht bestehen.
Dies lässt sich aus folgender Überlegung ab...