Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
1. Begriffsklärung und Anwendungsbereich
Rn. 7
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der Bewertungsmaßstab der AK ist stets relevant, wenn das bilanzierende UN VG zu bewerten hat, die es in der zu bewertenden Form von außen beschafft hat. Wohlgemut/Radde sprechen in diesem Kontext vom "ursprüngliche[n] Bewertungsmaßstab aller fremdbezogenen Gegenstände" (HdJ, Abt. I/4 (2021), Rn. 1). Der allg. übliche Begriff "fortgeführte AK" bezeichnet den Sachverhalt, dass auf den Wert der ursprünglichen (historischen) AK AfA oder Zuschreibungen vorgenommen worden sind.
Ganz generell werden als AK die Gegenwerte bezeichnet, die ein "Betrieb aufwenden muß, um einen Vermögensgegenstand zu beschaffen und einsatzfähig zu machen" (Wöhe (1997), S. 376). Nach Heinen ((1986), S. 204) "umfassen die Anschaffungskosten alle Ausgaben, die durch die Beschaffung eines Gegenstandes entstanden sind." Sie werden nach dem "Prinzip der Maßgeblichkeit der Gegenleistung" (HdJ, Abt. I/4 (2021), Rn. 2) durch die Gegenleistung des Erwerbers bestimmt.
Rn. 8
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Diese Umschreibungen deuten bereits darauf hin, dass den AK keine kalkulatorischen Werte der Kostenrechnung zuzurechnen sind, sondern dass vielmehr pagatorische Werte der Finanzbuchhaltung den AK als absoluter Wertobergrenze zugrunde liegen. Diese Basis ist als eine zwingende Konsequenz aus dem Realisationsprinzip anzusehen, das – anders als bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts – bei der Bestimmung der AK nicht durchbrochen werden darf. Nach dem Realisationsprinzip muss der Anschaffungsvorgang selbst durch Erfolgsneutralität gekennzeichnet sein und bilanziell als eine bloße Vermögensumschichtung behandelt werden. Diese Forderung ist nur dadurch erfüllbar, dass die Beträge, die zur Beschaffung des Gegenstands bilanziell als Reduzierung des EK angesehen werden könnten, zusammengefasst als wertmäßiger Zugang des VG in der Bilanz in Erscheinung treten. Diese Zusammenfassung stellt die AK dar.
Wegen dieser pagatorischen Betrachtungsweise wären die Begriffe "Anschaffungsaufwand", "Anschaffungsausgabe" oder "Anschaffungsbetrag" zutreffender gewählt. Obwohl die AK nicht zuletzt wegen der Gültigkeit der nominellen Kap.-Erhaltung einen zentralen Bewertungsbegriff darstellen, war diese Größe früher weder im Handels- noch im Steuerrecht definiert worden; vielmehr lag ein unbestimmter Rechtsbegriff vor, bei dessen Auslegung auf die GoB sowie die handels- und steuerrechtliche Rspr. zurückgegriffen werden musste.
Rn. 9
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
AK sind regelmäßig leicht und eindeutig zu ermitteln, sofern dem jeweiligen Anschaffungsvorgang Eingangsrechnungen zugrunde liegen. Erhebliche Ermittlungsprobleme können sich dann ergeben, sofern nicht auf entsprechende Unterlagen rekurriert werden kann. So ergaben sich z. B. bei der deutschen Wiedervereinigung, beim Übergang von der planwirtschaftlichen auf die marktwirtschaftliche Bilanzierung, große Gestaltungsspielräume. Erhebliche und unvermeidbare Ermessensspielräume eröffnen sich auch bei Privatisierungen, wenn keine aktuellen Eingangsrechnungen vorliegen und dann sog. fiktive oder virtuelle AK festgelegt werden müssen.
2. Verfahren zur Ermittlung der Anschaffungskosten
Rn. 10
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Grds. sind die AK – dem Prinzip der Einzelbewertung folgend – für jeden VG einzeln zu bestimmen. Dies kann insbesondere beim Vorratsvermögen z. T. zu nicht unwesentlichen praktischen Problemen führen. Aus diesem Grund sieht das HGB einige Methoden vor, die als zulässige Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes zu einer vereinfachten Ermittlung der AK führen. Hierbei handelt es sich um folgende Methoden:
(1) |
Verbrauchsfolgefiktionen gemäß § 256 Satz 1 (vgl. HdR-E, HGB § 256, Rn. 20ff.); |
(2) |
Festbewertung gemäß § 256 Satz 2 i. V. m. § 240 Abs. 3 (vgl. HdR-E, HGB § 256, Rn. 90; HdR-E, HGB § 240, Rn. 54ff.); |
(3) |
Gruppenbewertung gemäß § 256 Satz 2 i. V. m. § 240 Abs. 4 (vgl. HdR-E, HGB § 256, Rn. 90; HdR-E, HGB § 240, Rn. 73ff.). |
Darüber hinaus sind auf der Grundlage der GoB die Durchschnittsmethode bzw. retrograde Ermittlung durch Abzug der Bruttospanne vom Verkaufswert als zulässige Vereinfachungsverfahren anzusehen.
Bei der Durchschnittsmethode werden die AK der am BilSt inventurmäßig erfassten VG durch die Bildung eines gewogenen Durchschnittswerts ermittelt. Dies kann durch die Zugrundelegung einer fortlaufenden Rechnung erfolgen, bei der die Abgänge zu einem Durchschnittswert, der sich bis zum Zeitpunkt des jeweiligen Abgangs unter Berücksichtigung des Anfangsbestands und der erfolgten Zugänge ergibt, erfasst werden. Denkbar wäre es jedoch auch, in einem vereinfachten Verfahren den gewogenen Durchschnittswert aus dem Anfangsbestand und den Zugängen des laufenden WJ zu ermitteln.
Die retrograde Ermittlung der AK durch Abzug der Bruttospanne vom Verkaufswert findet speziell bei Einzelhandels-UN Anwendung. Diese Vorgehensweise entspricht formal der verlustfreien Bewertung, die zur Ermittlung der niedrigeren beizulegenden Werte i. R.d. NWP anzuwenden ist (vgl. HdR-E, HGB § 253, Rn. 33, 286ff.). Entsprechend muss die Bruttospanne die mu...