Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
1. Überblick und Anwendungsbereich
Rn. 115
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Die IFRS regeln die grds. Behandlung von Leasingverhältnissen in IFRS 16 mit der Zielsetzung, "Grundsätze für den Ansatz, die Bewertung, die Darstellung und die Angabe von Leasingverhältnissen" festzuschreiben. Ziel dabei ist es, sicherzustellen, dass die "von Leasingnehmern und Leasinggebern zur Verfügung gestellten Informationen ein getreues Bild der Transaktionen vermitteln" (IFRS 16.1 (beide Zitate)). Gemäß IFRS 16.2 ist dieser Standard ferner "auf ähnlich ausgestaltete Verträge" konsistent anzuwenden, wonach damit zugleich auch Miet- und Pachtverträge i. S. d. BGB unter die Regelungen dieses Standards zu subsumieren sind.
Rn. 116
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Das IASB hat die Leasingbilanzierung auf Seiten des Leasingnehmers grundlegend überarbeitet (vgl. zur historischen Entwicklung Helmschrott (2000), m. w. N.). Danach orientiert sich die Bilanzierung für GJ, die nach dem 31.12.2018 begonnen haben, nicht mehr an der wirtschaftlichen Zurechnung des Leasingobjekts (risks and rewards approach); vielmehr hat der Leasingnehmer mit der Bereitstellung des Leasingobjekts durch den Leasinggeber ein vertraglich abgesichertes Nutzungsrecht am jeweiligen geleasten Vermögenswert zu erfassen (right of use approach). Der Leasinggeber hat dagegen weiterhin auf Basis der Verteilung von Chancen und Risiken zwischen Finanzierungsleasing und Operating-Leasing zu unterscheiden und damit nach den gewohnten Regeln zu bilanzieren (vgl. im Übrigen Tesche/Küting, DStR 2016, S. 620ff., m. w. N.).
Rn. 117
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Unter den Anwendungsbereich des IFRS 16 sind alle Vertragsverhältnisse zu subsumieren, die die Definition eines Leasingverhältnisses erfüllen. Hierunter fallen auch Nutzungsrechte, die sich aus sog. Untermietverhältnissen ergeben. Ausnahmen vom Anwendungsbereich gelten beim Leasingnehmer für Gewinnungsrechte natürlicher und biologischer Ressourcen sowie Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen (vgl. IFRS 16.3). Bei Leasingverhältnissen über immaterielle Vermögenswerte besteht beim Leasingnehmer ein Wahlrecht, diese nach den Regelungen des IFRS 16 abzubilden (vgl. IFRS 16.4).
Sofern eine Nichtanwendung des IFRS 16 keine wesentliche(n) Auswirkung(en) auf die Darstellung der VFE-Lage hat, kann auf eine Anwendung des IFRS 16 verzichtet werden (vgl. IFRS 16.BC85 i. V. m. IAS 1.7 (IAS 8.5 i. d. F. des ED/2019/7) sowie IAS 1.31 (ED/2019/7.24); ferner RK.2.11 (2018); grundlegend zu den Voraussetzungen sodann Fehrenbach/Schulte, BB 2018, S. 1516ff.; Findeisen/Adolph, KoR 2018, S. 313f.).
2. Vereinfachungen
Rn. 118
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Zur Vermeidung von unverhältnismäßig hohen Kosten der Nutzungsrechtsbilanzierung lässt IFRS 16 wahlweise verschiedene Erleichterungen zu. Bei Leasingverhältnissen mit einer Laufzeit von höchstens zwölf Monaten (short-term leases) dürfen Leasingnehmer ein Wahlrecht ausüben (vgl. IFRS 16.5(a)): Sie brauchen die Vermögenswerte nicht in der Bilanz auszuweisen, sondern können diese Verträge analog dem bisherigen Leasingstandard (vgl. IAS 17) als Operating-Leasing behandeln, d. h. als schwebende Geschäfte, und die einzelnen Leasingraten direkt als Aufwand erfassen (vgl. IFRS 16.6). Das Wahlrecht muss auf Basis von Vermögenswertklassen einheitlich ausgeübt werden (vgl. IFRS 16.8). Zu beachten ist, dass die Max.-Laufzeit auch evtl. Verlängerungsoptionen beinhaltet, sofern deren Ausübung hinreichend sicher ist (vgl. IFRS 16.BC93). Eine Kaufoption schließt den Gedanken der kurzfristigen Nutzung und damit das Wahlrecht aus (vgl. IFRS 16 Appendix A).
Rn. 119
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Ein weiteres – für die Praxis sehr bedeutendes – Vereinfachungswahlrecht hat der Leasingnehmer bei Leasingverhältnissen mit Objekten von geringem Wert (leases of low-value assets). Die Leasingraten für geringwertige Leasingobjekte können ebenfalls ohne Ansatz in der Bilanz als Operating-Leasing direkt im Aufwand erfasst und linear oder nach einer anderen systematischen Methode über die Laufzeit verteilt werden (vgl. IFRS 16.5(b); IFRS 16.6). Was unter Objekten mit geringem Wert zu verstehen ist, wird im Leasingstandard selbst nur qualitativ, aber nicht quantitativ definiert. Als Beispiele wertmäßig nicht bedeutender Vermögenswerte werden Laptops, PC, Fotokopiergeräte, kleinere Büromöbel und Telefone genannt; nicht dazu zu rechnen sind z. B. Pkw, Lkw, Gebäude und IT-Server (vgl. IFRS 16.B8; IFRS 16.IE11). Zur Vermeidung von Missbrauch müssen die geringwertigen Vermögenswerte dabei einzeln oder zusammen mit anderen Ressourcen nutzbar sein und dürfen weder von anderen Vermögenswerten abhängig noch eng mit diesen verbunden sein (vgl. IFRS16.B5). Der Standardsetzer gibt in IFRS 16.BC100 als Anhaltspunkt für eine Wertobergrenze einen Betrag von 5.000 USD für den Neupreis (Stand: 2015) an. Bei dieser Größe handelt es sich allerdings nur um eine unverbindliche Richtschnur, die an länder- und branchenspezifische Gegebenheiten sowie im Zeitablauf an geänderte Fakten und Umstände, wie z. B. Inflation, anzupasse...