Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
1. Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts
Rn. 105
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Erfolgt der Erwerb eigener Aktien unter Verstoß gegen das grds. Erwerbsverbot, so ist das Grundgeschäft (Kauf, Tausch etc.) von Anfang an nichtig; keine der Vertragsparteien kann Erfüllung verlangen (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 246; MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 384). Ein zunächst wirksames Grundgeschäft kann auch erst später nichtig werden, wenn z. B. noch vor seiner Erfüllung die 10 %-Grenze des § 71 Abs. 2 AktG überschritten wird (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 246; a. A. MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 384). Umgekehrt wird ein Geschäft, welches ursprünglich wegen Überschreitung der 10 %-Grenze zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nichtig war, nicht dadurch wirksam, dass später die 10 %-Grenze unterschritten wird. Ein solches Geschäft kann vielmehr nur durch Neuabschluss wirksam zustande kommen (vgl. auch MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 384). Grds. ist festzuhalten: Eine Heilung des nichtigen Grundgeschäfts ist nicht möglich, insbesondere führt auch die Erfüllung nicht zu einer Heilung (einhellige Meinung; vgl. MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 384, m. w. N.). Auf die Nichtigkeit kann sich sowohl die AG/KGaA/SE als auch der andere Teil berufen (vgl. KK-AktG (2024), § 71, Rn. 249ff.).
Rn. 106
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Ein schuldrechtliches Grundgeschäft kann auf einen Erwerb eigener Aktien gerichtet sein, der nach § 71 Abs. 1f. AktG teils zulässig und teils unzulässig ist. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn sich das Grundgeschäft sowohl auf den Rückerwerb voll eingezahlter sowie auf den Rückerwerb nicht voll eingezahlter Aktien richtet. Denkbar ist ferner, dass die 10 %-Grenze des § 71 Abs. 2 AktG bei Abschluss bereits teilweise ausgeschöpft ist und durch die vollständige Durchführung des Grundgeschäfts überschritten würde. In diesen Fällen ist das Grundgeschäft von Anfang an nach § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG insoweit nichtig, als es auf einen unzulässigen Erwerb gerichtet ist. Im Übrigen richtet sich die Wirksamkeit des Grundgeschäfts nach § 139 BGB. Im Zweifel ist das Grundgeschäft folglich insgesamt nichtig. Nur wenn anzunehmen ist, dass es auch ohne den nach § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, bleibt es teilweise wirksam, d. h., der nach § 71 Abs. 1f. AktG zulässige Teil bleibt wirksam (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 249ff.; MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 384).
2. Wirksamkeit eines dinglichen Rechtsgeschäfts
Rn. 107
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die Wirksamkeit eines dinglichen Erfüllungsgeschäfts, also die Übereignung nach den §§ 929ff. BGB bzw. die Abtretung nach den §§ 398ff., 413 BGB, wird durch die Unzulässigkeit des Erwerbs nach § 71 Abs. 1f. AktG nicht berührt, die AG/KGaA/SE ist – sofern nicht andere Umstände die Nichtigkeit des Erwerbs begründen – Inhaberin der Mitgliedschaft geworden. Dies gilt auch für nicht voll eingezahlte Aktien. Eine Nichtigkeit des dinglichen Erwerbs kann sich allerdings aus einer nach anderen Vorschriften angeordneten Nichtigkeit ergeben, insbesondere aus den Nichtigkeitsgründen des bürgerlichen Rechts (z. B. Sittenwidrigkeit, Geschäftsunfähigkeit, Anfechtung). Darüber hinaus kann eine Nichtigkeit des dinglichen Geschäfts ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn das schuldrechtliche und dingliche Rechtsgeschäft aufgrund ihres besonderen Charakters untrennbar miteinander verknüpft sind, so z. B. bei Pensions- und Repo-Geschäften (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 247; kritisch MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 383; ferner auch AktG-GroßKomm. (2018), § 71, Rn. 360).
3. Rückabwicklung
Rn. 108
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Soweit das dingliche Erfüllungsgeschäft bereits vollzogen wurde, ist dieses unter Beachtung der Vorschriften zur Einlagenrückgewähr (vgl. § 62 AktG) rückabzuwickeln (vgl. auch Escher-Weingart/Kübler, ZHR 1998, S. 537 (540)). Grds. bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dem Bereicherungsrecht. Der Aktionär hat demnach gemäß den §§ 812ff. BGB einen Anspruch auf Rückübereignung bzw. Rückabtretung. Eine AG/KGaA/SE kann sich auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, soweit sie nicht mehr bereichert ist, z. B. wenn die Aktien zu einem niedrigeren Kurs bereits weiterveräußert worden sind. War betreffender Gesellschaft bzw. den für sie handelnden Personen allerdings die Unzulässigkeit des Erwerbs sowie die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts bekannt, so haftet sie nach § 819 Abs. 1 BGB i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB ohne die Möglichkeit, sich auf einen Wegfall der Bereicherung zu berufen. Die Einrede der Entreicherung wird daher in den meisten Fällen verwehrt sein, angesichts der Komplexität von § 71 Abs. 1f. AktG und der z. T. schwierigen Abgrenzung der Erlaubnistatbestände ist dies jedoch nicht automatisch für jeden Fall anzunehmen (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 250f.).
Rn. 109
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Ob der Rückübertragungsanspruch eines Aktionärs wegen § 814 BGB ausgeschlossen ist, ist strittig (vgl. ablehnend KK-AktG (2011), § 71, Rn. 250; MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 386). Richtigerweise wird man insoweit – ebenso wenig wie hinsichtlich d...